STEUERST DU DEIN LEBEN?
Oder lässt Du andere steuern?

Podcast mit Julia Peters: Barfuß durch den Sand und alle Stürme

Stefanie Voss zu Gast bei Julia Peters

Barfuß durch den Sand – mutig, ehrlich, lebendig.

Barfuß durchs Leben – über Mut, Segelabenteuer und den Umgang mit Verlust

Ich habe mit Julia Peters über die bewegendsten Kapitel meines Lebens gesprochen – vom ersten Sabbatical auf hoher See über prägende Karrierestationen im Konzern bis hin zum plötzlichen Verlust meiner Schwester. Es geht um Neugier, Wagemut, echte Selbstführung und die Frage, was bleibt, wenn das Leben dir den Boden unter den Füßen wegzieht. Ein Gespräch über Trauer, Transformation und die Kraft, sich selbst neu zu finden – barfuß, ehrlich und voller Leben.

Das erwartet dich im Interview:

➔ Warum eine Weltumsegelung mein Ego rundgeschliffen hat
➔ Wie ich durch den Tod meiner Schwester eine neue Stärke gefunden habe
➔ Warum wir Krisen nicht vermeiden, sondern durchleben müssen

Hier geht es direkt zum Interview:

Links zu Julia Peters und dem Podcast „neuestärke“:

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Transkript

Julia Peters [00:00:01]:
Was bedeutet es, das eigene Leben barfuß zu leben, sich den Gefühlen und Erlebnissen im Leben unmittelbar zu stellen und sich vom Sturm nicht aus der Bahn lenken zu lassen? Das alles erfährst du heute im Interview mit Stefanie Voss. In diesem ersten Teil reden wir heute über ganz viel Wasser, Wagemut und einen großen Verlust. Wir nehmen dich mit in den Sand und auf hohe See. Viel Spaß dabei. Hallo und ein ganz herzliches Willkommen im Podcast Neue Stärke, deinem Podcast für mehr innere Stärke und ein neues Vertrauen in dich und die Zukunft. Suchst du Ideen und Inspirationen, wie du dein Leben aktiv und sinnvoll so gestalten kannst, dass es leichter und schöner wird? Irgendwas geht immer. Lass Dich einfach überraschen. Ich wünsche Dir dabei jetzt viel Spaß.

Hallo und herzlich willkommen in einer neuen Folge vom Podcast Neue Stärke. Deinem Podcast für mehr innere Stärke und ein neues Vertrauen in dich und die Zukunft. Mit den Interviews, die ich hier biete, möchte ich dir gerne immer wieder mal eine Inspiration an die Hand geben, wie andere Menschen ihr Leben leben und wie sie ihr Leben erfahren und auch ihre eigenen Perspektiven auf die Welt entwickeln. Heute freue ich mich total, denn ich habe mit Stefanie Voss eine ganz, ganz spannende Interviewpartnerin gewinnen können. Stefanie wird auch bezeichnet als die Businessfrau mit der Piratenseele und wenn du sie gleich hörst, wirst du ganz schnell nachvollziehen können, woher diese Bezeichnung kommt. Ich glaube, sie ist zu Recht, denn Stefanie hat schon sehr, sehr viel erlebt in ihrem Leben. Sie war oft unkonventionell, beherzt und wirklich wagemutig dabei unterwegs und hat so ganz früh schon ihren wirklich eigenen Weg gestaltet. Mit 16 in die USA als Austauschschülerin, mit 23 ist sie für ihren Arbeitgeber nach Argentinien gegangen, als erste Frau aus Europa in dieser Südamerikanischen Organisation.

Mit 25 hat sie auf einem Segelschiff angeheuert, die Welt zu umrunden und das hat sie für 14 Monate auch getan. Mit 31 wurde sie dann Abteilungsleiterin in einem DAX-Konzern und nach 15 Jahren Konzernkarriere hat sie diesem dann den Rücken gekehrt und hat 2009 ihr eigenes Unternehmen gegründet. Sie ist heute international erfolgreich als Keynote-Speakerin und Coach zu den Themen VUCA, Agilität, Diversity und Leadership. Außerdem ist Stefanie verheiratet und ist Mutter von 2 Teenager-Jungs. Das ist die geglättete Marketing-Oberfläche, der Text, der in jeder Veröffentlichung steht, mit dem Steffi unterwegs ist. Und ich freue mich, dass sie in diesem Interview uns alle einen Blick hinter diese Marketing-Oberfläche nehmen lässt. Sie war sehr, sehr ehrlich, sehr offen und sie hat auch Klartext gesprochen in Bezug auf ihre ganz persönliche Entwicklung und die bisherigen Stürme in ihrem Leben. Das Interview ist sehr lang geworden, wir haben es jetzt aufgeteilt in 2 Teile und diesem ersten Teil des Interviews teilt Stefanie mit uns die Erkenntnisse darüber, wie naiv sie anfänglich in ihrem Berufsleben teilweise unterwegs war, welche Fehlschläge sie dabei hatte und wie es ist, wenn das eigene Ego, sagen wir mal, noch Raum für Entwicklung hat.

Besonders berührt haben mich natürlich dann die Teile rund das Thema Weltumsegelung. Ich denke, da ist ganz viel Bildmaterial auch drin, wo wir mit segeln im Kopf und ja mit auf das Schiff drauf geholt werden. Aber noch mehr berührt hat mich der Teil, der hintere Teil in dem heutigen Interviewpart, in dem sie sehr reflektiert über den plötzlichen Tod ihrer Schwester berichtet und wie sie mit diesem Verlust umgegangen ist, wie sie Trauerbewältigung gestaltet hat und wie dann das Familienleben in diesen schweren Zeiten funktioniert hat. Wir erfahren außerdem, welche Konsequenzen sie aus diesem Verlust für ihre Lebensgestaltung gezogen hat und inwiefern so ein Verlust am Ende des Tages auch ein heilsamer Schock sein kann, der dich tatsächlich noch mal stärkend ins Leben entlässt. Barfuß durch den Sand und alle Stürme Barfuß bedeutet, sich den Gefühlen und Erlebnissen des Lebens unmittelbar zu stellen. Und jetzt sage ich gar nicht mehr viel dazu, sondern lasse dich zu Stefanie Voss auf ihr Lebensschiff und wünsche dir viel Spaß dabei, wenn sie am Steuer steht. Hallo und herzlich willkommen liebe Stefanie Voss. Schön, dass du da bist hier im Podcast Neue Stärke.

Stefanie Voss [00:04:38]:
Schön, dass ich da sein darf. Danke für die Einladung.

Julia Peters [00:04:42]:
Ich freue mich sehr, dass du zugesagt hast. Wir haben ganz viele spannende Themen, über die wir heute reden können. Und vielleicht wird es auch so viel, müssen wir mal schauen, dass wir da sogar 2 Folgen draus machen. Aber das lassen wir sich jetzt erst mal frei entfalten. Für unsere Zuhörer ist natürlich wichtig, wer ist Stefanie Voss? Magst du dich mal selber vorstellen? Einfach?

Stefanie Voss [00:05:01]:
Ja, ich bin genau Stefanie Voss, habe eine zweigeteilte berufliche Laufbahn. Die ersten 15 Jahre, und das verbindet uns, war ich im Bayer-Konzern. Ich darf sagen, dass wir uns da kennengelernt haben, oder? Genau. Genau, war im Bayer-Konzern, habe dort im In- und Ausland eine klassische Konzernkarriere gemacht und war zuletzt Abteilungsleiterin in der Unternehmenskommunikation. Und mittlerweile vor 11 Jahren habe ich ja einen neuen Kurs eingeschlagen und habe mich selbstständig gemacht, habe heute einen Dreiklang aus Coaching, aus Workshop-Moderationen und aus Vorträgen und, und das ist so ein bisschen das vielleicht Besondere meiner Geschichte, während meiner Zeit bei Bayer habe ich zu 1 Zeit, als das wirklich unüblich war, ein Sabbatical gemacht, habe 14 Monate meine Konzernkarriere pausiert und bin die Welt gesegelt. Und deswegen heute in meiner Arbeit, aber auch in meinem Leben begleitet mich die Segelmetapher an ganz vielen Stellen und ja, ist einfach etwas, was mich auszeichnet und was mich beschäftigt und was mich tatsächlich auch in meinem Leben unglaublich geprägt hat. Nebenher noch so, achso, genau, Entschuldigung, noch so Die kleinen Fakten nebenher. Ich bin verheiratet, ich habe 2 Kinder, bin Rheinländerin durch und durch.
Ja, aber das noch so als quasi Komplettinformation.

Julia Peters [00:06:27]:
Dankeschön. Du hast es ja schon gesagt, wir haben uns wirklich, Es war ja eigentlich erst gestern, vor vielen vielen Jahren mal in diesem Konzern kennengelernt, haben auch die gleiche Ausbildung da gemacht und ich weiß noch, das war eine Ausbildung für Führungs-Nachwuchskräfte. Wir hatten ja große Ambitionen raus in die Welt, der Konzern weltweit vertreten Und du hast damals eine erste Etappe gehabt, wenn ich mich recht entsinne. Du bist als erste Frau in eine Ländergruppe reingegangen, wo man mir noch gesagt hat, das können Sie mal vergessen. Also Sie als Frau ins Ausland, Nordamerika oder Europa, aber alles andere können Sie vergessen. Wo

Stefanie Voss [00:06:59]:
warst du? Genau. Ich war in Argentinien. Ich war tatsächlich die erste Frau in der Konzerngeschichte, die man als Expat nach Lateinamerika geschickt hat. Und als ich in Lateinamerika angekommen bin, wusste ich dann auch ziemlich schnell, warum. Ja, das war schon ein sehr spezielles Arbeitsumfeld, kann ich nicht anders sagen. Ich hatte einen europäischen Chef, also mein Chef war Holländer und viele meiner Kollegen waren auch Deutsche. In der lokalen argentinischen Organisation habe ich mich tatsächlich als junge deutsche und durchaus emanzipierte Frau sehr schwer getan. Also es war schon wirklich ein Kulturschock der sehr speziellen Art.

Julia Peters [00:07:38]:
Das kann ich mir vorstellen. Das heißt das Thema Wellenbrecher zu sein, also mal vorweg und so die Welle durchschneiden. Ich nehme jetzt auch mal diese Segelmetapher, weil ich finde, das passt hervorragend bei dir. Das hat sich ja dann schon früh abgezeichnet irgendwie. Und die Idee, dann in ein Sabbatical zu gehen, zu einem Zeitpunkt, wo man wirklich noch da gar nicht drüber geredet hat, das war ja auch völlig unüblich. Ich glaube, das war ja eher ein Karrierekiller. Da wurde als ein Potenzialer angesehen, wie Indien entstanden.

Stefanie Voss [00:08:07]:
Ja, also der Zufall hat sicherlich eine relativ große Rolle gespielt bei dem Ganzen. Ich habe in Argentinien angefangen zu segeln. Buenos Aires liegt am Rio de la Plata. Der heißt zwar Rio, also Fluss, ist aber de facto wie ein Meer. Du kannst die andere Seite überhaupt nicht sehen. Das ist wirklich ein großes Gewässer. Und ich hatte immer die Idee zu segeln. Ich bin auch ein bisschen familiär vorbelastet.

Ja, und dann wurde meine Stelle von Bayer verlegt. Ich war in der Lateinamerikaner Vertretung. Wir sollten umziehen nach Sao Paulo. Also die gesamte Organisation nach Brasilien. Und ganz ehrlich, also vorrangig getrieben war meine Entscheidung davon, dass ich überhaupt keine Lust hatte, nach Sao Paulo zu gehen. Ich hatte gerade Spanisch gelernt. Argentinien war sicherlich ein schwieriges Pflaster für den Job, aber zum Leben war Buenos Aires eine Traumstadt. Also wirklich vor der Wirtschaftskrise super.

Und Sao Paulo für eine junge Frau, sicherheitstechnisch schwierig. Ich hätte wieder Portugiesisch lernen müssen. Ich wollte einfach nicht. Ich wollte aber auch noch nicht zurück nach Deutschland. Ich war grad 2 Jahre im Ausland, frisch getrennt, das volle Programm, und hatte das Gefühl, nee, irgendwie muss was anderes her. Zufällig lese ich in 1 deutschen Segelzeitschrift, die mein Vater mir geschickt hat, dass eine Gruppe von Schiffen die Welt segelt und dass die in Argentinien vorbeikommen. Dann hab ich kurzerhand diese Organisation angeschrieben und gefragt, wie ist das, kann man bei euch mitsegeln? Und dann sagten die so relativ lapidar, ja, also wenn du im Hafen bist und du sprichst ein paar Sprachen und du kannst segeln, also irgendwer nimmt dich immer mit. Also Hand gegen Koje, so nennt man das unter Seglern.

Man hilft mit, man zahlt was in die Bordkasse für Diesel und für Lebensmittel. Ja, und tatsächlich, genauso habe ich es gemacht. Ich habe meine Sachen gepackt, ich bin in den Hafen, ich habe die Schiffe kennengelernt und habe gefragt, wer hat denn Platz? Und dann war ich zu Anfang ganz kurz auf einem amerikanischen Schiff und bin dann relativ schnell gewechselt auf ein deutsches Schiff, was allerdings eine internationale Besatzung hatte. Und bin dann quasi von Argentinien aus nach Hause gesegelt, aber den langen Weg, also hintenrum. Genau. Hintenrum heißt…

Julia Peters [00:10:15]:
Pazifik.

Stefanie Voss [00:10:16]:
Heißt erstmal, genau, Atlantikküste runter, rund ums Kap Horn, Pazifik, dann nach Australien, dann Indischer Ozean, Südafrika, Brasilien, Karibik und zurück nach Europa. Die Erde ist eine Kugel, ich habe es bewiesen.
Also es war viel Zufall mit im Spiel. Und diese Regelung, also bei Bayer gab’s keine Sabbatical-Regeln. Man hat dann für mich eine Sonderregelung gefunden. Und auch da sicherlich ein Stück weit eine Portion Glück mit dabei. Ich hatte einen segelbegeisterten Chef in Argentinien. Der deutsche Chef, der über diese Regelungen entschieden hat, fand das einfach cool. Der fand, dass eine junge Frau so was macht. Ich hab die Kindheitsträume meiner Chefs erfüllt.

Deswegen haben die das unterstützt. Viele haben mir gesagt, bist du verrückt und wahnsinnig. Und eine 14 Monate, oder es war am Anfang nicht ganz klar, während 12 Monate, 18. Du machst deine Karriere kaputt.

Julia Peters [00:11:15]:
Ja, ja, ja.

Stefanie Voss [00:11:16]:
Ja, Und das war natürlich letztendlich genau das Gegenteil. Als ich zurückkam nach Deutschland, mich kannte jeder bei Bayer. Jeder. Ich war da nur noch die mit der Weltumsegelung. Es wurde auch in der Bayer Mitarbeiterzeitung über mich berichtet. Also man hörte irgendwie meinen, sind Sie das mit der Welt? Oh ja, ich bin die mit der Weltumsegelung. Das war am Ende ein totaler, also war eine volle Karriereförderung.

Julia Peters [00:11:43]:
Verrückt, ne? Also so ein bisschen Die Ängste, die man dann vielleicht hat an der Stelle, so wird das gut gehen, mal ganz unabhängig davon, dass es ja ein irrsinniges Abenteuer ist. Und dass sich das letztendlich sogar mehr als doppelt und dreifach auszahlt, dass du nicht nur die Angst überwindest, sondern dich das einfach mal traust.

Stefanie Voss [00:12:01]:
Also die Angst überwinden, das ist schön so gedacht, ehrlich gesagt. Ich war nicht ängstlich, ich war echt naiv. Also ängstlich war ich nicht, ich hatte vom Segeln keine Angst. Ich fand das ganz süß. Meine Mutter wurde mal gefragt, ob sie denn nicht Angst hätte, wenn ich auf ein Segelboot gehe. Und meine Mutter sagte dann nur, ganz ehrlich, meine Tochter ist auf jedem Segelboot der Welt besser aufgehoben als im Straßenverkehr von Buenos Aires. Und nee, Angst hatte ich nicht. Ich war sehr naiv, ich hab mir das alles sehr schick und cool vorgestellt.

Und das war’s ehrlich gesagt nicht. Ähm, nee, also es ist Ja, es hat sich im Nachhinein doppelt und dreifach ausgezahlt. Ich hab mir gar nicht so viel Gedanken gemacht. Ich hatte das Gefühl, ich will das jetzt. Vielleicht bin ich da auch tatsächlich neugieriger oder mutiger als andere Menschen. Aber dass ich jetzt so mit meiner Angst gekämpft hätte, oder so überhaupt nicht. Ich hab’s mir dann irgendwie in den Kopf gesetzt. Wenn ich mir was in den Kopf setze, dann ziehe ich das in der Regel auch durch und habe das dann wirklich generalstabsmäßig geplant angegangen, durchgezogen.

Ja, und hatte am Ende rückblickend wirklich viele, viele, viele Vorteile bis in den heutigen Tag hinein.

Julia Peters [00:13:20]:
Wahnsinn. Und inwiefern warst du naiv? Was hat sich dann anders gezeigt, als was du eigentlich erwartet hattest? Oder was würdest du anfassend sagen?

Stefanie Voss [00:13:30]:
Also ich habe natürlich schon gedacht, dass das alles total cool wird. So, ich auf dem Schiff und nette Leute und cool und hip und von Hafen zu Hafen. Und diese ganze Komponente Leben auf dem Schiff hab ich wirklich unterschätzt. Denn, ähm, ja, ein Schiff ist einfach eng. Wir waren auf einem also die meiste Zeit war ich auf diesem deutschen Schiff, das hat 66 Fuß Länge, also 20 Meter. Das ist per se erstmal ein großes Segelschiff, es ist durchaus sicher, da drauf zu segeln. Das ist keine super kleine Nussschale oder so. Aber wir waren halt immer mal so von Etappe zu Etappe, in der Regel zwischen 10 und 15 Personen.

Und so ein Schiff hat nicht wahnsinnig viel Fläche. Also da müssen ja auch Sachen gelagert werden. Und du kannst eigentlich sagen, so ein 20-Meter-Schiff hat vielleicht 35 Quadratmeter Wohnfläche. Und jetzt stell dir einfach vor, du bist auf 35 Quadratmetern mit 12 Personen eingesperrt für, ja, je nachdem, 10 bis 14 Tage. Da ist es mit der Privatsphäre nicht so weit her. Und wenn dir da jemand auf den Keks geht oder wenn du sogar mit jemandem wirklich in einen Konflikt gerätst, dann gibt es einfach keine Ausweichmöglichkeit. Und ich habe eben schon gesagt, wenn ich mir was in den Kopf setze, dann ziehe ich es auch durch. Also ich bin jetzt auch nicht, Ich gehöre nicht zu den Leisetretern, zu den zurückhaltenden Menschen und zu denen, denen es sehr leicht fällt, sich in heterogenen Gruppen sofort zu integrieren.

Ich habe immer schon das Gefühl, ich muss einen Punkt setzen, mich zeigen und präsent sein. Das ist in 1 Segelgruppe nicht die allerbeste oder nicht die allereinfachste Strategie. Das habe ich total unterschätzt. Ich habe mich da wirklich unglaublich schwergetan mit der menschlichen Komponente. Im Nachhinein würde ich sagen, ist das das wichtigste Learning. Ich habe mir in diesen 14 Monaten mein Ego rundgeschliffen. Das heißt natürlich nicht, dass ich heute kein Ego mehr habe, Gottes Willen, Aber ich habe mir das Rechthaben abgewöhnt. Und ich habe mich auch, wie heißt es so schön, pick your fights.

Also überlege, mit wem du dich anlegst und wie du in einen Konflikt gehst und wie viel davon eigentlich bei dir liegt. Das sind so alles natürlich total wichtige Lektionen, die wir im Coaching mit Coaching-Klienten immer wieder bearbeiten. Und ich habe quasi ein sehr spezielles Selbstcoaching genossen, dadurch, dass ich mich mit Mitte 20 auf diese Reise begeben habe.

Julia Peters [00:16:00]:
Wahnsinn. Ja, ich meine, Lernen am eigenen Leib, ne? Ist die schnellste Lern- und Erfahrungskurve, die es gibt.

Stefanie Voss [00:16:06]:
Ja, das sage ich heute so gerne, wenn ich mit Personalern spreche und die sagen, oh, der ist so schwierig und der Typ, der ist so kompliziert. Dann sage ich, schicken Sie den auf eine Weltumsegelung. Der kommt ganz anders zurück. Ja, mit Sicherheit. Ja, es ist tatsächlich so. Dieses Mikrokosmos-Thema ist wirklich krass.

Julia Peters [00:16:24]:
Was ist sonst noch hängen geblieben aus der Zeit, wo du sagen würdest, rückblickend, das war echt eine super Schule oder was hast du mitgenommen?

Stefanie Voss [00:16:31]:
Also ich habe schon vorher, glaube ich, auch durchaus gerne Zeit mit mir selber verbracht. Und das ist sicherlich in der Zeit nochmal bestärkt worden. Also wir hatten ja auch Zeiten an Land. Ich bin sehr viel alleine gereist. Ich habe meiner Neugierde sehr freien Lauf lassen können. Ich habe keine Angst, Menschen zu begegnen. Und das habe ich auf der Reise noch mal gelernt, was das für eine Qualität ist, auf Menschen zugehen zu können. Das hat mir unheimlich viele Türen geöffnet.

Ich habe wirklich irre Erlebnisse gehabt. In 1 Kleinstadt in Brasilien, kein Hotel mehr frei, keine Jugendherberge mehr. Dann habe ich angefangen, Leute auf der Straße anzuquatschen, ob sie mir sagen könnten, ob ich irgendwo übernachten könne. Weil auf der Straße wollte ich nicht übernachten. Letztlich bin ich bei 1 Klasse, 1 Schulklasse mit einem Lehrer gelandet, die ein Biologie-Projekt gemacht haben. Die hatten so eine Unterkunft, so eine Gruppenunterkunft, und die haben mir in die Küche eine Matratze gelegt. Und dann habe ich mit denen bis tief in die Nacht gesungen und gelacht und mich radebrecherisch, portugiesisch, spanisch verständigt und hatte eine unfassbare Zeit mit denen. Und naja, das wäre halt nie passiert, wenn ich in irgendein schnödes Hotelzimmer gegangen wäre.

Und das sind so Dinge, die mich fasziniert haben. Natürlich auch das Segeln. Also ich bin kein Küstensegler, sondern das, was ich am Segeln am schönsten finde, ist tatsächlich dann doch am Ende die Zeit, wenn man keine Küste mehr sieht, kein Land mehr sieht und so Tag und Nacht über mehrere Tage wirklich nur noch draußen ist. Das ist ein unfassbares Gefühl und das ist das, was ich am Segeln am Ende am meisten genossen habe.

Julia Peters [00:18:13]:
Wahnsinn. Wenn man dir so zuhört, dann klingt das alles so, ach, dann hab ich das mal ausprobiert. Nee, Angst hatte ich eigentlich keine. Ach, das muss man einfach mal machen. Augen zu und durch. Also so ganz einfach irgendwie so, als ob du das alles, so diesen Abenteuergeist auch so ein bisschen mit der Muttermilch aufgesogen hast. Woher kommt dieses Vertrauen?

Stefanie Voss [00:18:34]:
Also ich habe ja schon gesagt, ich bin seglerisch ein Stück weit vorbelastet, im positiven Sinne. Mein Großvater war Weltumsegler und der hat tatsächlich diese ganz harte Nummer gemacht. Sprich, der ist alleine gesegelt. Das nennt man Einhandsegler. Also der hatte natürlich nicht nur eine Hand, sondern das heißt einfach so. Und der hat tatsächlich alleine die Welt umsegelt. Und ich glaube, der hat so diesen Abenteuergeist vielleicht in unsere Familie gepflanzt. Und meine Eltern waren auch immer speziell.

Mein Vater ist jemand, der uns Kindern immer sehr viel Zuversicht mitgegeben hat. So nach dem Motto, egal, was ihr anpackt, das wird schon irgendwie gut werden. Und jetzt, das ging sicherlich auch manchmal ein bisschen zu sehr so in die Richtung, Jetzt stell dich mal nicht so an und komm, das schaffst du schon, wenn es auch gerade mal wirklich sehr schlecht lief. Aber insgesamt bin ich mit einem großen Urvertrauen in die Welt groß geworden. Und ja, diese frühkindlichen Geschichten oder diese Jugendliche, als Kind und Jugendlicher, was du mitbekommst, prägt natürlich. Und ich hatte, nee, Angst hatte ich praktisch nie. Also habe ich, ich würde sagen, ich bin heute noch ein wenig ängstlicher Mensch. Natürlich mit mehr Verantwortung kommen durchaus schon mehr Sorgen und mehr Gedanken, aber Angst war noch nie etwas, was mich wirklich gesteuert hat.

Julia Peters [00:19:52]:
Wenn du sagst, Angst ist gar nicht dein Thema, gibt es irgendein Motto, was du heute über diese Lebenshaltung setzen würdest? Oder gab es einen Leitspruch bei euch in der Familie?

Stefanie Voss [00:20:05]:
Also bei uns in der Familie zum Beispiel war es so, wenn du längere Reisen gemacht hast und du hast dich nicht gemeldet, dann war das nicht schlimm. Meine Eltern haben immer gesagt, naja, also wenn wir nichts hören, dann ist das eigentlich immer ein gutes Zeichen. Und das ist zum Beispiel diametral unterschiedlich zu der Familie meines Mannes, wo du wirklich nach jeder längeren Autofahrt immer erst mal die SMS absetzen musst, nach dem Motto, ich bin gut angekommen. Und bei meinen Eltern, ich meine, auf der Weltreise, die haben oft 3, 4 Wochen nichts von mir gehört. Natürlich gab es damals schon E-Mail und es gab auch in jedem Hafen ein Internetcafé, aber wenn wir auf See waren, haben sie natürlich per se schon mal nichts gehört. Und je nachdem, in welchem Land wir waren und wie teuer es war, ins Internet zu gehen oder zu telefonieren, habe ich mich tatsächlich auch wirklich lange nicht gemeldet. Und das hat die nie gestört. Also es war immer okay, die haben immer gesagt, wenn was passiert, erfahren wir das viel eher, als wenn alles in Ordnung ist.
Wenn wir nichts hören, ist es schon ein gutes Zeichen.

Julia Peters [00:20:58]:
Total spannend und wie machst du das jetzt mit deinen Kindern? Also sagen wir mal so,

Stefanie Voss [00:21:05]:
meine Kinder haben schon auch beide zum Beispiel ein Handy, aber sie müssen jetzt nicht ständig bei mir anrufen oder so. Ich meine, es nervt mich schon, wenn zum Beispiel mein jüngerer Sohn, der hat ein großes Faible fürs Busfahren. Der liebt es, Bus zu fahren. Und der hat dann 13 Uhr Schule aus und müsste eigentlich so Viertel vor 2 zu Hause sein. Und dann ist er Viertel nach 2 noch nicht da, manchmal auch halb 3 noch nicht da. Und da beruhige ich mich selber. Also richtig gefallen tut es mir nicht, aber ich sage mir immer, Mensch, wenn irgendwas passiert wäre, wüsste ich das schon. Und meistens taucht er dann auch auf und dann war die Batterie vom Handy leer oder er hat das Handy vergessen. Und natürlich gibt es da auch eine Seite in mir, die sagt, das fühlt sich jetzt nicht so gut an.

Auf der anderen Seite finde ich das total wichtig, dass auch die Kinder mit so einem Grund- und Urvertrauen durch die Welt gehen, weil ja, natürlich passieren Dinge und natürlich gibt es schreckliche Dinge. Und ja, wie sagt der Rheinländer, das hält noch immer Jotje Jange. Also ich glaube, dass es einfach wichtig ist, dass die auch ein Vertrauen zu sich haben, dass sie schon aus Situationen rauskommen, wenn ihnen was Doofes passiert.

Julia Peters [00:22:09]:
Ja, und dafür braucht es auch die Erfahrung, das einfach auch zu erleben.

Stefanie Voss [00:22:12]:
Ja, auf jeden Fall. Du musst einfach auch ein paar Mal wirklich schwierige Situationen gemeistert haben, so selber zu entwickeln. Ich kann das, ich schaff das schon irgendwie, ich komm da schon irgendwie durch. Was ich schon mache, ist, dass ich mit denen bespreche. Was würdest du machen, wenn irgendwas passiert, wenn dein Handy kaputt geht, an wen kannst du dich wenden, Wie könntest du uns zur Not erreichen? Und was meine Kinder zum Beispiel lange bevor sie selber ein Telefon hatten, was die wussten, die kannten meine Handynummer auswendig, sodass die jederzeit irgendwen hätten ansprechen können und sagen können, rufen Sie bitte meine Mutter an, die Nummer ist so und so und so. Das wussten die ganz früh.

Julia Peters [00:22:48]:
Ja, und das ist eine gute Methode, ein gutes Training für den Fall das und ansonsten probier dich aus. Ja das sind schon diametrale Unterschiede, wenn ich überlege, so bei uns zu Hause beim Amtenhaushalt, als ich dann irgendwann mit Mitte 20 zusammen mit meinem jetzigen Mann mit Rucksack nach Indien bin, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, ich glaube, die haben 3 Wochen lang nicht mehr ruhig geschlafen. Haben wir noch versucht, mir das auszureden, wie gefährlich das wäre. Und gut, Das ist natürlich auch so ein Land, wo du dich gut anstecken kannst mit allen möglichen Krankheiten. Und es gab einen Onkel, der in den 70ern da war und schwer krank zurückgekommen ist. Also ja, man hatte so eine gewisse Vorgeschichte, aber ich würde sagen, da war es bei mir zu Hause definitiv anders. Es

Stefanie Voss [00:23:32]:
ist so, wie du drauf guckst. Es gibt ja diesen wunderbaren Film, ich weiß nicht, ob du den kennst, lohnt sich auf jeden Fall weit die Welt über ein Pärchen, was 3 Jahre zu Fuß die Welt reist. Also die möchten gerne ohne fliegen, ohne irgendwas, möchten die zu Fuß einmal die Welt und das geht alles gut. Und dann wird ihnen am Ende gesagt, naja, ihr hattet ja auch echt Glück. Und dann sagt sie so, ich glaube nicht, dass wir Glück hatten. Ich glaube einfach, dass wir kein Pech hatten. Und es ist immer so, wie du drauf guckst. Und Die Welt ist schon in vielen Aspekten wirklich gut.

Und die Menschen sind auch in ganz vielen Aspekten wirklich gut. Und natürlich gibt es immer Ausnahmen. Aber ich will mir meinen Glauben an das Gute im Menschen nicht zerstören.

Julia Peters [00:24:15]:
Und deswegen sitzt auch hier im Podcast Neue Stärke, weil darum geht es mir nämlich genau bei diesem Hashtag Neue Stärke auch. Sowas wie Kooperation fand ich eben schön auf dem Segelschiff, also dass man nicht immer mit dem Kopf durch die Wand gehen kann, aber auch eben Hoffnung, schlicht und ergreifend, das Gute im Blick. Man, man, man. So, jetzt haben wir abgeklappert ein bisschen den Lebenslauf, die Weltumseglung. Du bist aber ja nicht mehr ewig dann im Konzernwesen geblieben, sondern hast dich selbstständig gemacht. Und jetzt bist du als selbstständige, berufstätige Mutter unterwegs, bis auch nicht ganz unerheblich an der, am Verdienst der Familie beteiligt. Sehr gleichberechtigt, sehr auf Augenhöhe, ist auch noch nicht immer durchweg der Fall. Magst du noch ein bisschen was zu deinem Leben im Moment sagen? Wie sich das insgesamt gestaltet?

Stefanie Voss [00:25:06]:
Ja, also der Eintritt in die Selbstständigkeit war auch wieder ein Stück weit zufallsgeprägt. Ich hatte nicht den Plan, die Selbstständigkeit anzugehen. Die Idee war ehrlich gesagt natürlich schon auch immer mal da, weil ich schon in der Unternehmenskommunikation, wo ich die letzten Jahre war, habe ich viel Workshops gemacht, habe viel moderiert und habe so gemerkt, dass mir dieses Zwischenmenschliche und auch meine Führungsaufgabe, das hat mir schon sehr, sehr, sehr viel Spaß gemacht. Getriggert wurde das Ganze durch die Geburt meines zweiten Sohnes. Ich hatte eine schwere gesundheitliche Komplikation bei der Geburt und hab einfach Glück gehabt. Gute Ärzte und zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Krankenhaus. Ähm, und hab dann, ja, nachher, also nach der Geburt war ich Also, wir haben’s beide gut überstanden, toi, toi, toi. Ich war aber einfach wirklich sehr geschwächt.

Ich war wirklich, wirklich platt. Und mir hat man gesagt, 3 bis 6 Monate Regeneration ist ganz, ganz, ganz wichtig. Und Sie haben auch noch jetzt 2 kleine Kinder zu Hause. Also fahren Sie mal ganz ordentlich zurück und dann mal gucken, was wieder geht. Und ich war natürlich Abteilungsleiterin. Ich hatte viele Mitarbeiter. Ich hatte viel Verantwortung. Ich hatte viel Reisetätigkeit, einen sehr anspruchsvollen Vorgesetzten.

Und es war natürlich klar, wenn ich jetzt das alles ein halbes Jahr liegen lasse und dann zurückgehe, dann wird es natürlich nicht einfacher. Und daraufhin habe ich dann entschieden, einen Cut zu machen und zu sagen, ich weiß noch nicht genau,

Julia Peters [00:26:30]:
was ich mache, aber das

Stefanie Voss [00:26:30]:
mache ich auf jeden Fall nicht weiter, sondern ich möchte in meiner zeitlichen Gestaltung viel flexibler werden. Und natürlich auch dieser Gedanke, das hätte auch echt schiefgehen können, diese Geburt. Das hätte auch dazu führen können, dass mein Mann mit einem Kind zu Hause sitzt und ich und das zweite Kind das Ganze nicht überleben. Das hat uns natürlich auch nochmal ganz schön durchgerüttelt. Ja, und dann ist die Selbstständigkeit entstanden letztlich daraus, dass ich mich ausprobiert habe. Was ich sowieso schon gut konnte, habe ich dann selbstständig angeboten. Und daraus ist heute dieser Coaching Workshops Speaking Dreiklang geworden. Und interessanterweise ist so, mein Mann hatte auch eine Führungsrolle zu der Zeit, als ich unser zweites Kind bekam und als meine Selbstständigkeit immer besser lief Und du weißt es ja auch, es ist ja nicht was, was man startet und ist auf 100 Prozent, sondern es baut sich auf.

Aber nach ein paar Jahren lief es tatsächlich wirklich gut. Und dann haben wir nochmal einen Switch gemacht, das eher reduziert hat. Und da das in seinem Unternehmen zu der damaligen Zeit schwierig war, in Teilzeit eine Führungsrolle zu haben. Hat er sich entschieden, seine Führungsrolle aufzugeben. Hat wieder eine ganz normale Referentenposition. Er ist Jurist, war Leiter der Rechtsabteilung und ist jetzt wieder Referent in der Rechtsabteilung. Und hat auf 80 Prozent reduziert. Und das ist heute unser Modell, was für uns, und das möchte ich ganz explizit betonen, für uns ist das super.

Das kann für andere Menschen auch funktionieren. Aber ich finde, da gehört einfach viel Ausprobieren dazu, was so in der eigenen Konstellation passt. Wir arbeiten heute beide, würde ich sagen, so die 80 Prozent. Ich bin sicherlich manchmal eingespannter, dafür habe ich mehr Zeit frei. Also ich nehme die ganzen Ferien der Kinder frei oder frei heißt ohne Termine. Und ja, wir leben damit wirklich gut. Und ja, ich kam aus einem Konzern. Ich habe ein sehr gutes Gehalt verdient.

Und deswegen hatte ich auch immer den Anspruch, dass die Selbstständigkeit auch wirtschaftlich profitabel sein muss. Ich fand das süß. Mich fragte das letztens noch mal jemand so. Ach, Sie verdienen damit Geld? Wo ich so dachte, äh, ja. Also, na ja. Also ich mache das wirklich total gerne. Und ich verdiene damit auch gutes Geld. Und das war aber auch immer mein Anspruch.

Also, das gehörte einfach von Anfang an dazu. Ja. Und so ist es heute bei uns. Wir haben eine sehr gut aufgeteilte 50-50-Rolle. Einkommensmäßig sind wir etwa gleich unterwegs. Es schwankt natürlich dadurch, dass mein Gehalt immer wieder schwankt. Das Corona-Jahr sieht jetzt für mich nicht so gut aus. Wobei ich glaube, dass ich in unserer Kollegenschaft noch wirklich gut durchkomme. Was die Kinderbetreuung angeht, was Hausaufgaben, familiäre Verpflichtungen, Haushalt und so weiter angeht, sind wir sehr, sehr gleichberechtigt unterwegs. Und ich finde das super. Ich wollte das immer so haben, und es ist tatsächlich auch so gekommen.

Julia Peters [00:29:24]:
Und deine Jungs lernen direkt auch, wie das geht, wenn eine Beziehung auf Augenhöhe funktioniert, ne?

Stefanie Voss [00:29:29]:
Ja, und auch, dass die Mama eben genauso arbeitet wie der Papa und dass das total selbstverständlich ist und ja, die erleben uns. Und auch, dass Papa französisch Vokabeln macht und zum Elternabend geht und all diese Dinge tut, die sonst sehr häufig die Frauen tun, Das ist für die auch total selbstverständlich.

Julia Peters [00:29:47]:
Ja, ich fand es eben sehr, sehr wichtig und wertvoll. Und das möchte ich auch noch mal für unsere ganzen berufstätigen weiblichen Zuhörer rauskehren, dass es hier kein pauschales Rezept gibt. Ich finde, das ist ja so eine Riesendiskussion, die da draußen immer abschwillt und dann wieder neu beginnt und ständig da ist. Die Vereinbarkeit muss möglich sein. Und die Vereinbarkeit gibt es gar nicht. Es gibt ganz viele individuelle Modelle.

Stefanie Voss [00:30:15]:
Es kommt ja auch auf ganz viele Rahmenbedingungen an. Also habe ich Großeltern in der Nähe? Sind die in der Lage, mich zu unterstützen? Will ich, dass die mich unterstützen? Wie sind meine Kinder drauf? Also wir haben zweimal das volle Testosteronprogramm. Ich habe 2 Söhne, beide extrovertiert, beide laut, beide brauchen viel Bewegung. Und für uns war halt zum Beispiel relativ schnell klar, für diese Kinder ist es nicht gut, wenn sie lange in der Schule sind. Deswegen hatten sie nie eine Ganztagsschule, Nicht in der Grundschule und auch nicht in der weiterführenden Schule. Weil wir gesagt haben, Hausaufgaben in der Schule, das funktioniert nicht. Das geht nicht. Und deswegen haben wir uns für andere Modelle entschieden.

Und das ist bei anderen Kindern ganz anders. Dann gibt es Mütter oder Väter, die sagen, ich möchte ganz, ganz, ganz viel Zeit, ganz intensiv mit meinen kleinen Kindern haben. So war ich nicht. Ich fand die Zeit mit den kleinen Kindern wahnsinnig anstrengend. Und für mich war in der Zeit das Arbeiten, das war ja, darf man nicht so laut sagen, war fast schon Erholung. Also

Julia Peters [00:31:19]:
ja, ich glaube, es gibt ganz viele Menschen, die wir jetzt beipflichten werden. Also es gibt ja Statistiken dazu, dass frischgebackene Väter, es gibt nur zu Vätern spannenderweise die Untersuchung, dass die im Schnitt anderthalb Stunden in der Woche länger arbeiten ab dem Zeitpunkt, wo sie Kinder haben. Die Gründe sind nicht ganz klar, aber die Statistik gibt es.

Stefanie Voss [00:31:36]:
Ja, und ich fand diese Zeit, die Nächte nicht durchschlafen, ich fand es sehr, sehr anstrengend. Und ich finde es jetzt ist es natürlich anders anstrengend, aber ich finde es jetzt super cool. Also wenn ich jetzt mit meinen Kindern diskutieren kann, wenn wir den Schulstoff, der mich auch interessiert, durchnehmen, da bin ich Feuer und Flamme. Da hab ich richtig Lust, mit denen viel Zeit zu verbringen, mich viel auseinanderzusetzen. Das hatte ich nicht, als die 1 und 3 waren oder 2 und 4. Das war immer alles ganz süß, aber der intellektuelle Teil ist natürlich da voll auf der Strecke geblieben. Und dazu diese Übermüdung, mit Nachts nicht schlafen können. Und ich weiß noch, mein Mann und ich, wir machen so ein gemeinsames Buch, wo wir so Dinge festhalten, die uns wichtig sind.

Ich habe irgendwann in dieses Buch geschrieben, ein wichtiger Meilenstein war, dass die Kinder gelernt haben, wenn sie Magenprobleme haben, wenn ihnen schlecht wird, in eine Schüssel zu kotzen. Weil ich so viele Erinnerungen an Nächte habe, in denen ich Bettwäsche gewechselt habe, dass ich dachte, als die gelernt haben, wir haben denen eine Schüssel ins Bett gestellt und sie haben gelernt, die Schüssel zu kotzen, wurde mein Leben schlagartig besser.

Julia Peters [00:32:47]:
Siehst du, das sind so Einblicke, Live-Einblicke in das echte Leben. Ja, also das war jetzt nicht so ein Meilenstein für mich, weil dieser Moment oder so diese prägendste Erinnerung ist sowas dieses, wenn du irgendein Buch zum 25.000sten mal lesen muss und dann sagt er irgendwann ja zum Beispiel völlig egal welches das war ja dann immer je öfter desto besser und wie du so schön sagst der intellektuelle teil dabei ist nicht wirklich so befriedigend und ich finde es okay das einfach zu sehen Und das muss man nicht toll finden. Also ich habe das auch immer wieder im Coaching, dass die Frauen daran verzweifeln, ob sie denn dann keine guten Mütter sind, wenn sie das da nicht toll finden. So: nein, nein. Kann man nur sagen, lasst euch Raum für eure Individualität, liebe Mütter und liebe Väter auch.

Stefanie Voss [00:33:35]:
Und eine glückliche Mutter oder ein glücklicher Vater, glückliche Kinder. Also wenn die Selbstversorge total auf der Strecke bleibt, das ist ja letztendlich auch für die Kinder eine Katastrophe. Also diese Zeit, diese Anfangszeit, fand ich tatsächlich sehr, sehr anstrengend. Und schäme mich auch nicht, das zu sagen. Ich hab das in der Zeit echt genossen, auch arbeiten zu dürfen. Und heute finde ich, ja, finde ich es viel schwieriger, die Betreuung der Kinder in irgendeiner Form zu delegieren, weil ich einfach merke, es ist ganz viel los. Es ist jetzt auch natürlich diese ganze Freundschaftsbeziehung und Zoff in der Klasse und Beziehungen zu Lehrern und Lehrerinnen, wo ich so denke, nee, da bin ich als Mutter wirklich gefragt und das möchte ich auch alles mitbekommen und mich damit reinigen. Und ja, da finde ich es viel.

Also ich finde es viel schwieriger jetzt zum Beispiel zu sagen Es gibt irgendwie jemanden, der sich dich kümmert, als ich das fand, als die jetzt eben 2 oder 4 Jahre alt waren.

Julia Peters [00:34:31]:
Spannend. Ich meine, jetzt fängt das ja auch an, dass die Erinnerungen bleibend geschrieben werden irgendwie. Da ist ja alles, aber jetzt fängt das so an. Wie alt sind deine jetzt? 11 und 13. 11 und 13. Ja, okay. 10 und 12 sind meine. So ist ja etwa das Alter.

Stefanie Voss [00:34:46]:
Genau. Mein 13-Jähriger ist jetzt schon fast einen ganzen Kopf größer als ich. Wenn es irgendwie schwere Sachen zu schleppen gibt, dann kommt er schon und sagt, ach komm Mama, ich mache das mal für dich. Das mache

Julia Peters [00:34:57]:
ich auch schon. Das sage ich dann, ich brauche jetzt mal eine starke Hand.

Stefanie Voss [00:35:02]:
Also, nee, das ist total, also es ist auch total schön. Es ist echt, es ist eine tolle Zeit im Moment.

Julia Peters [00:35:09]:
Spannend. Jetzt haben wir schon ganz viel gekreuzt. Wir haben ein bisschen in dein Leben reingeguckt, die Weltumsegelung angerissen. Ich glaube, wer dich da noch mehr über erleben möchte oder mehr von dir hören möchte, da gibt es ja auch tolle Vorträge zu, möchte ich mir unbedingt noch mal anhören. By the way, alles was das betrifft, hängen wir natürlich in die Show Notes rein. Das heißt, diejenigen, die dich nachher live erleben wollen oder Videos von dir sehen wollen oder oder oder die kriegen reichlich Quellen dazu. Was mich bei dir tatsächlich fasziniert oder wo ich gedacht habe, das passt besonders gut zu diesem Thema Hashtag neue Stärke ist ja gerade dieses Ding, dass man kritische Dinge erlebt, schwierige Dinge erlebt, mutig rangeht, sich mal ausprobiert, ja auch wieder aufsteht, wenn es weitergeht, weitergehen soll und dann kommt was Neues und ich glaube von solchen Phasen hast du eine ganze Reihe in deinem Leben gehabt und wir haben im Vorfeld schon mal darüber gesprochen, Du hast deine Schwester verloren vor nicht allzu langer Zeit. Also das Thema Trauer ist ein, was ja gar nicht so einfaches ist.
Du hast gesagt, es ist okay für dich, dass wir darüber sprechen. Ja,

Stefanie Voss [00:36:12]:
it’s okay.

Julia Peters [00:36:13]:
Ist okay, gut. Wie war das? Was genau ist da passiert und was hat es mit dir gemacht?

Stefanie Voss [00:36:19]:
Also es ist mittlerweile schon 5 Jahre her. Es war etwas, was ich natürlich überhaupt nicht habe kommen sehen. Dazu der Hintergrund. Meine Schwester ist 10 Jahre älter als ich. Ich war zu dem Zeitpunkt 40 und sie war 50. Und der Klassiker leider in diesem Alter bei Frauen, sie hatte ein Aneurysma im Gehirn. Also ihr ist eine Ader im Gehirn geplatzt, hatte eine schwere Gehirnblutung, ist direkt quasi noch, als das passiert ist, kurze Zeit später, ist sie schon das erste Mal verstorben, ist dann wiederbelebt worden, hat noch 10 Tage im Koma gelegen, ist aber nicht mehr aufgewacht und ist dann verstorben. Im Nachhinein sage ich immer, wir sind in Etappen gefallen, weil natürlich erst mal so dieser total…

Es ist wirklich wie im also wie im schlechten Film. Ich saß am Sonntagabend am Schreibtisch, habe noch irgendwie ein paar E-Mails gelesen, ein bisschen rumgedadelt und es klingelt das Telefon. Ich denke so, ach guck mal, Nummer aus Leverkusen, weiß ich gar nicht, wer das ist. Und dann war es eine Freundin von meiner Schwester, die mich anrief und sagte, Stefanie, Stefanie, du musst ins Krankenhaus fahren, du musst ins Krankenhaus fahren. Die Susanne, die Susanne ist zusammengebaut, du musst ins Krankenhaus fahren, das ist in Köln-Mülheim und der Kamerl. Und die Ärzte haben gesagt, es muss jemand von der Familie dahin. Und sie hatte die Nummer meiner Eltern nicht. Sie kannte mich aber, diese Freundin.

Ich bin wirklich so, wie ich am Schreibtisch saß, mit Hausanzug mäßig hab ich mich ins Auto gesetzt und bin panisch ins Krankenhaus gefahren. Ich hab’s erst mal gar nicht verstanden, was da passiert ist. Der Klassiker, Der Arzt hat uns das erklärt, ich hab’s nicht so richtig geblickt. Meinen Schwager muss man dazu sagen, meine Schwester ist verheiratet mit einem Marokkaner, der auch gar nicht so gut Deutsch spricht. Der hat da auch völlig perplex gesessen und wusste gar nicht, was ist. Ja, und dann haben die uns das erklärt und was das alles bedeutet und was das heißt und so weiter und so fort. Und so langsam, aber sicher ist so gesagt, dass das wirklich schwerwiegend ist. Aber sie lag halt erst mal im Koma.

Da machst du ja, also du denkst noch nicht an Tod. Aber und dann habe ich noch, ich weiß noch, ich habe den Arzt gefragt. Ja, wie ist denn das? Unsere Eltern sind jetzt in Urlaub gefahren. Würden Sie die jetzt zurückrufen? Ist das so gravierend, dass wir die zurückrufen sollten? Da hab ich das erste Mal ein bisschen begriffen, weil der sagte, ja, ich würde sie auf jeden Fall sofort zurückrufen. Dann haben wir abends spät angefangen zu telefonieren. Lange Rede, kurzer Sinn. Wir sind in Etappen gefallen. Erst hast du Hoffnung, dass sie es überlebt, dann stellst du fest, je mehr du recherchierst, dass eine Schädigung am Gehirn natürlich ganz gravierend ist, dann fragst du dich, wie das wäre, wenn sie mit großen Schäden diese ganze Geschichte überlebt. Und tatsächlich war es dann so, dass es am Ende schon fast ein bisschen auch eine Erleichterung war, dass sie sterben konnte. Und, ähm, ja, wir hatten auch noch das wirklich große Glück, muss ich im Nachhinein sagen, dass wir sie nicht abstellen mussten. Wir mussten keine Geräte abschalten, sondern sie hat es geschafft, eigenständig zu sterben.

Irgendwann kriegst du ja die Diagnose, wie heißt das so furchtbar, größte Teile des Gehirns sind untergegangen. Das Stammhirn funktionierte noch, der Herzschlag funktionierte noch, aber ansonsten war fast nichts mehr da. Und dann darfst du eben Sterbehilfe leisten, sprich Du darfst die Beatmung abstellen und du darfst das beenden. Letztlich hat sie es von alleine geschafft zu sterben. Ihr Hirn hat es von alleine geschafft, komplett aufzuhören zu funktionieren. Das war am Ende sogar noch eine Erleichterung. Weil wir schon alle diesen Horror hatten, wir müssen am Sonntag ins Krankenhaus und müssen das abschalten. Und dass wir das nicht mussten, war dann doch auch wieder gut.

Und ich habe, wie alle, denen sowas passiert, so alle Phasen durchgemacht von funktionieren. Das ist die erste Phase. Ich habe die Kommunikation übernommen. Was kann ich gut? Ich kann kommunizieren. Ich habe mit den Ärzten kommuniziert. Ich war der Hauptansprechpartner für das Krankenhaus. Ich habe die Freunde informiert. Ich habe jeden Tag Mails geschrieben über ihren Zustand in den Freundes- und Bekanntenkreis und so weiter und so fort.

Mein Vater hat die Beerdigung in die Hand genommen. Wir haben erst mal funktioniert. Dann kam natürlich eine große Trauer und eine große Verzweiflungsphase. Und dann und das, das fand ich im Nachhinein, also rückblickend, fand ich ganz interessant. Ich hatte eine ganz lange Wutphase. Also ich bin einige Monate nach dem Tod, ich bin wochenlang wütend gewesen. Ich bin wütend gewesen auf meine Schwester, weil ich so das Gefühl hatte, du lässt mich hier sitzen. Und Was mir natürlich auch dann erst klar geworden ist, meine große Schwester war für mich immer so eine Rückversicherung. Ich bin auch so locker und leicht durchs Leben marschiert, weil ich immer dachte, ach, wenn mir mal was passiert, Susanne kümmert sich.

Julia Peters [00:40:57]:
Wenn mit den Eltern mal was los ist, die große Schwester

Stefanie Voss [00:41:00]:
Susanne kümmert sich. Wenn mir was passieren würde, meine Kinder würden sofort zu Susanne kommen, das wäre alles in Ordnung. Dazu muss man wissen, wir haben noch eine mittlere Schwester, die hat 3 Kinder und das jüngste davon ist, also die ist noch mal relativ spät Mutter geworden, hat ein Kind mit Down-Syndrom, was toll, toll, toll wirklich ein guter Downie ist, also wenig körperliche Probleme hat, sondern wirklich ein fitter Downie, ist ein ganz süßes Mädchen. Aber natürlich auch so der Gedanke, wenn Sabine jetzt auch noch was passieren würde, dann war immer, Susanne hat immer gesagt, ach komm, wenn Sabine irgendwas passiert, wir kümmern uns Sophia, kein Problem. Wir nehmen dieses Down-Kind und kriegen das auch groß. Ich hab auf einmal gedacht, wenn mit den Eltern was ist, bin ich dran. Wenn mit meinen Kindern was ist, weiß ich gar nicht. Wenn mit Sabine was ist, dann hab ich auch noch Sophia.

Wir sind eine superstabile Familie und würden alles immer hinbekommen. Aber in dem Moment, ich fühlte mich wirklich, ja, mir ist nur mein Sicherheitsnetz verloren gegangen. Und das hat mich über Wochen wütend gemacht. Und ja, und im Nachhinein betrachtet, ne, neue Stärke passt wunderbar dazu. Dieses Ereignis hat nochmal so viel verändert. Ich habe ja eben gesagt, mein Mann hat seine Vollzeitstelle aufgegeben, ist auf Teilzeit gegangen, hat seine Führungsrolle aufgegeben. Wir haben das sehr lange diskutiert und immer wieder überlegt, sollen wir das machen, sollen wir das nicht machen, sollen wir das machen? Und als Susanne gestorben ist, war die Entscheidung so klar. Es war so klar, weil natürlich Dinge passieren.

Flugzeuge stürzen ab, Menschen haben Autounfälle, Herzinfarkte. Es sind immer die anderen. Und auf einmal, und das ist so für mich dieses, ich weiß noch, ich saß in der ersten Reihe dieser Beerdigung und hab nur gedacht, was mach ich hier? Ich gehöre hier gar nicht hin. Ja, Das ist Spielfilm, das sind andere Leute, das ist nicht mein Leben. Und die Illusion, dass wir alt werden und dass alles immer so weiterläuft, wie es ist, die ist natürlich in dem Moment weg. Und das ist aber auch ein total heilsamer Schock. Und natürlich, auch das haben ja alle schon mal durchgemacht, die so was erlebt haben, dass du merkst, also es gibt Momente, wo du das Gefühl hast, ich werde nie wieder lachen, ich werde nie wieder glücklich sein, ich werde nie wieder aufwachen und als erstes an Susanne denken. Und dann kommt doch irgendwann der Moment, wo du wieder lachst und wo du wieder fröhlich bist und wo du morgens irgendwie oder mittags in der Küche stehst und denkst, ach Mensch, heute habe ich noch gar nicht an Susanne gedacht. Das ist jetzt heute das erste Mal.

Und das zu erleben, eine Resilienz am eigenen Körper zu erleben, ist natürlich schrecklich und auf der anderen Seite total stärkend, weil der Mensch einfach wirklich ein faszinierendes Wesen ist im Umgang mit solchen Krisen und mit solchen Tälern, dass er es eben, oder dass ich in dem Fall, aber viele andere auch, es geschafft haben, da durchzugehen. Und es ist, the only way out is through. Also, du musst durch. Und es war im Nachhinein natürlich Also, immer noch ist es schrecklich. Und es ist vor allem, und das ist vielleicht noch so eine Zusatzkomponente, ich habe meine Schwester verloren, war der eine Aspekt. Und der fast noch brutalere Aspekt ist, ich habe meine Eltern dabei begleitet, wie sie ihre Tochter verloren haben. Und auch wenn das Kind 50 ist, ist das einfach furchtbar. Und da aber durchzukommen und heute auch zum Beispiel mit meiner Mutter zu sprechen und irgendwas passiert und dann können wir beide einen Witz machen und sagen, ach Guck mal, Susanne hätte das jetzt so oder so gesehen.

Oder die hätte jetzt die oder die Bemerkung. Also wenn Susanne noch leben würde, dann könnten wir das jetzt aber gar nicht so machen. Und das zu können und das dann auch gemeinschaftlich zu lachen und natürlich fangen wir auch immer wieder an zu weinen, aber auch darüber lachen zu können, das zu erleben, am eigenen Körper zu erleben, ist natürlich total bestärkend. Also total bestärkend zu wissen, dass du durch so was durchkommen kannst.

Julia Peters [00:44:57]:
Ja, ich finde sehr interessant, was du eben beschrieben hast. Ich habe im Frühjahr des Jahres eine Freundin verloren, auch durch Krebs, auch zu früh. Und da ist ja wirklich diese Phase, wo man sagt, das kann jetzt nicht sein. Wir hatten einen Deal. Wir wollten unsere Enkelkinder gemeinsam mit Eis füttern. Und dann kommt diese Wut. Das kann ja wohl nicht sein. Das ist falsch.

Das sollte so nicht sein. Junge Menschen sollten nicht sterben. 50 ist ja relativ jung. Und dann kommt ja dieser Moment, wo das irgendwann kippt. Ich weiß nicht genau, wie das bei dir war. Bei mir war das dann wirklich so ein Ding, dass man merkte, okay, jetzt kann man irgendwie loslassen. Und dann kommt die Trauer und das ist ja was ganz Passives. Das hat was von ja mehr Wellen.
Das hat ja was Wellenartiges. Du kannst dich dieser Strömung ja nur noch ausliefern und darüber und über diesen Schmerz. Also wie du sagst, da muss man dann durch. Darüber kommt dann die Akzeptanz. War das bei dir ähnlich oder wie würdest du das beschreiben?

Stefanie Voss [00:45:48]:
Ja, es hat sicherlich verschiedene Phasen gehabt. Es kam auch so eine Phase, also bei mir kam, sage ich mal, die Akzeptanz oder die ganz tiefe Trauer kam, als ich gemerkt habe, dass ich so mit mir selber beschäftigt war, dass ich auch unseren jüngeren Sohn, der auf einmal natürlich auch seinen Halt verloren hat, weil seine Mutter nicht mehr so greifbar war und mit sich selber beschäftigt war, der hat auf einmal verschiedene Auffälligkeiten gezeigt. Da war irgendwann so ein Punkt erreicht, wo ich auch zu meinem Mann gesagt habe, ich kann nicht mehr. Ich weiß nicht mehr weiter, ich kann nicht mehr. Ich bin mit mir beschäftigt. Ich kann für den Eike, das so heißt mein jüngerer Sohn, ich kann momentan nicht für den da sein. Ich weiß nicht, wie ich mit seiner Art umgehen soll. Ich bin auserzählt.

Und das war eigentlich ein total wichtiger Moment, weil das der Moment war, wo wir natürlich auch ins Hilfe geholt haben und uns Beratung geholt haben und Unterstützung. Und im Nachhinein betrachtet, das war so ein Wendepunkt. Weil ich da, ne, vorher war ich Natürlich auch durch meine Art und meine Persönlichkeit. Irgendwie kriege ich das hin. Ich arbeite mich da jetzt durch. Ich muss das jetzt irgendwie schaffen und ich muss funktionieren. Da war so ein Moment, wo ich einfach, ja, ich hab aufgegeben. Ich hab einfach gesagt, nee, Freunde, ich weiß nicht mehr.

Ich kann nicht mehr, ich hab keine Antwort mehr. Ich bin leer, ich bin aus, ich bin traurig, ich will nicht mehr. Und das war der Wendepunkt, zu sagen, so, und jetzt, ab dem Moment ging es dann wieder aufwärts. Ab dem Moment, wo ich mir selber erlaubt habe, nicht mehr zu funktionieren. Das war ein wichtiger Punkt. Ich glaube, dass das gerade Frauen, berufstätige Mütter, immer alle Bälle in der Luft. Dann kriegen wir es auch noch auf die Kette. Und von außen, was du alles machst, und mit deiner Selbstständigkeit und mit 2 Kindern.

Und deswegen, glaube ich, war es für mich so schwer, diesen Punkt zu erreichen, wo ich gesagt habe, so, und jetzt kann ich nicht mehr. Grenze. Und der ist natürlich wichtig, der Punkt. Und Das war der Wendepunkt. Das war der Wendepunkt. Im Nachhinein denke ich, es hat mich natürlich auch auf eine andere Weise stark gemacht. Also nicht stark im Sinne von, dass ich damit jetzt vielleicht besser umgehen könnte, Aber diese Erfahrung eben, das zu erleben und heute darauf zurückzugucken zu können und auch darüber reden zu können. Du bist das.

Also das ist ja das erste Mal, dass ich das so in der sozusagen Öffentlichkeit ja darüber berichte. Das ist auch wieder so ein Schritt zu sagen, ja, das kann ich schon. Und es gibt aber Dinge, die ich zum Beispiel noch nicht kann. Also zum Beispiel Bücher lesen über Trauerfälle. Es gibt ja auch so tolle Literatur, die das verarbeitet. Das kann ich noch nicht. Das mache ich noch nicht. Das ist so, wo ich so, Da hat mich eine Freundin letztens angesprochen, das hab ich gelesen, ist ganz toll.
Nee, so was fass ich immer noch nicht an. Das kann ich nicht.

Julia Peters [00:48:38]:
Mhm.

Stefanie Voss [00:48:40]:
Aber ich erlaube mir das auch. Ich muss nicht sagen können, ja, ich hab alles verarbeitet, und alles liegt hinter mir und so weiter. Nee, es gibt auch immer noch Dinge, die natürlich wehtun. Und ja, und so an Kleinigkeiten merke ich natürlich immer wieder, ja, dass da immer noch was ist, was nicht verdaut ist. Nichtsdestotrotz, es ist, wie es ist. Und ich kann für mich auf jeden Fall heute sagen, ich habe zumindest diese Chance, diesen Wendepunkt genutzt, in meinem Leben noch mal Dinge besser zu justieren. Ja. Ja.

Julia Peters [00:49:19]:
Ja, ich glaube, diesen Punkt, die eigene Grenze zu erreichen und dann aufzugeben, sich dieser Sache in Anführungsstrichen auch zu ergeben, das ist für mich diese besondere Stärke, die darin liegt, dass nämlich die Stärke eben auch dann aus dieser vermeintlichen Schwäche kommen kann. Und ich finde, wenn du in so einem Moment aufgibst, das ist für mich mal aufgeben, das ist dann kommt die eigentliche Arbeit. Also sich dem hinzugeben, diesen Schmerz dann zuzulassen, Das ist für mich die größte Stärke, die man haben kann.

Stefanie Voss [00:49:49]:
Ja, also ich aufgeben hat so eine. Ich glaube, ich noch ein schönes Wort. Ja, es klingt so negativ. Ich glaube, noch ein schöneres Wort, wenn es ist, so sich hingeben, sich hingeben und darauf vertrauen. Und das passt ja dann wieder zu mir. Darauf vertrauen, dass es schon Menschen gibt, die mich fangen werden und die mich halten werden. Und die gab es natürlich dann auch. Und die haben mir auch geholfen und die haben mich auch wieder gestützt.

Und die haben uns auch wieder stabilisiert, auch als Familie wieder stabilisiert und meinen Sohn wieder stabilisiert. Und ja, das Das war tatsächlich ein wichtiger Moment, der heute natürlich immer noch an vielen Stellen nachwirkt. Zeit ist nicht unendlich und Leben ist jeden Tag ein Geschenk. Das ist immer dahinter hergesagt und es ist so.

Julia Peters [00:50:36]:
Ja, und das ist ein großer Unterschied, ob du das auf 1 Postkarte am Straßenrand siehst oder ob das gelebtes Leben ist. Definitiv. Ja, es gibt diese Ying-Qualität. Das ist so dieses, Jan, können wir alle ganz gut Dinge kontrollieren, anpacken, machen, tun, Führungskraft sein, vorweg, Wellen brechen, aktiv. Ich mache das, ich kann das. Genau. Und Ying ist so was, das ist glaube ich ganz schön unterrepräsentiert heutzutage, zumindest bei den meisten von uns oder auch in der allgemeinen Wirtschaft, oder?

Stefanie Voss [00:51:07]:
Es gibt ja auch so eine Stigmatisierung. Wer sagt denn, ich arbeite von 9 bis 5, verdiene gutes Geld und mache mir ein schönes Leben und mache keine Überstunden und dann stehen da drum herum Leute. Oh, super. Nein, ich habe so viel zu tun. Ich habe ja so ein großes Projekt. Ich habe ja so einen komplizierten Chef. Ich habe ja so. Der kriegt Bewunderung und derjenige, der sagt, ich habe eigentlich genauso viel zu tun, wie ich schaffe und ich schaffe das locker und entspannt.

Das ist ja auch nicht gewollt. Die Kohle reicht mir. Wobei, das findet ja gerade statt. Die Kohle reicht mir ist ja gerade eine Veränderung, die spürbar ist. Aber es ist natürlich immer noch nicht anerkannt, ein entspanntes Leben zu führen. Ja, also wir sagen,

Julia Peters [00:51:57]:
wo sind wir, wenn wir nichts tun? Oder genau das, was für uns ist.

Stefanie Voss [00:52:01]:
Cappuccino-Dads in Schweden. Also da gucken die Deutschen so, ja die Schweden, da machen ja die Männer alle Elternzeit. Ach, das sind ja Kapuscino-Dads. Die trinken ja nur Kapuscino. Da würde ich sagen, wie geil ist das denn? Die trinken Kapuscino, treffen sich und verbringen Zeit mit ihren Kindern. Wunderbar. Oh, das passt aber nicht in das Bild des fleißigen Deutschen.

Julia Peters [00:52:21]:
Nee, nee, definitiv nicht.

Das war Teil 1 dieses Interviews mit Stefanie Voss, barfuß durch den Sand und alle Stürmer. Teil 2 erscheint ausnahmsweise nicht mit Wochenabstand, sondern bereits übermorgen. Und wir werden in diesem Teil intensiv darüber sprechen, welche Schlussfolgerungen und welche Erkenntnisse Stefanie Voss aus ihrem bisherigen Leben, über das du jetzt hier in Teil 1 was erfahren hast, gezogen hat und mitnimmt in das Thema Leadership im 21. Jahrhundert. Was sind die Prinzipien, nach denen Leadership in diesem aktuellen Zeitrahmen stattfinden kann? Ich freue mich, wenn du dann wieder einschaltest und weiter zuhörst, wie Stefanie Voss hier oder bei unterwegs ist. Und wenn du mehr von ihr erfahren möchtest oder sie finden möchtest oder vielleicht sogar was bei ihr buchen möchtest, dann findest du sie im Netz über ihre Webseite. Sie bietet ein Coaching Programm an, das da heißt Leader on My Ship und vor allen Dingen sehr schön anzuschauen, sehr gut gemacht, Regelmäßige Inspirationen per Video auf YouTube.

Die Links und Zugangswege poste ich dir alle in die Show Notes. Ja und wenn du auch Spuren im Leben hinterlassen möchtest und barfuß durch den Sand gehen möchtest und dich auch endlich mehr trauen möchtest, das Leben zu leben, das du wirklich leben möchtest, dann kann es sich vielleicht lohnen, dich damit auseinanderzusetzen, was denn dein Purpose fürs Leben ist. Was ist dein Wofür? Wofür willst du leben? Und die nächste Gelegenheit dafür im Kleingruppenworkshop ist am 14. Und 15. Januar 2021 oder du buchst dir einfach ein individuelles Coaching mit mir dazu. Schreib mich gerne an unter kontakt.juliapeters.info und alle Informationen dazu findest du natürlich auch über meine Webseite. Last but not least, wenn dir diese Folge gut gefallen hat, dann abonniere doch einfach den Podcast, like ihn, teile ihn und ich freue mich jederzeit auch über eine schöne Bewertung von dir. Und jetzt wünsche ich dir eine wunderbare Zeit, gute Kraft, gute innere Stärke und ja, hoffe wir hören uns bald wieder für Teil 2 von diesem Interview.

Julia Peters [00:54:37]:
Bis bald, mach’s gut, deine Julia.

Stefanie Voss mit Stift

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