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New Leadership Podcast: Was Führungskräfte von Piratenkapitänen lernen können

Stefanie Voss zu Gast im New Leadership Podcast mit Sebastian Morgner

New Leadership Podcast: Was Führungskräfte von Piratenkapitänen lernen können - Stefanie Voss

Piratenstrategie: Mut, Führung & Selbstbestimmung

Piratenstrategie: Wagemut, Führung und der Mut zur Veränderung

In dieser Folge des New Leadership Podcasts tauchen wir in die Welt der Piraten ein – nicht als Seeräuber, sondern als mutige Vorbilder für Leadership, Selbstbestimmung und Agilität. Was können moderne Führungskräfte von ihnen lernen?
Das erwartet dich in diesem Interview:

  • Piraten als Führungsvorbilder: Demokratie, Teamgeist und klare Entscheidungsprozesse
  • Wagemut und Veränderung: Warum es sich lohnt, den Status quo zu hinterfragen
  • Konfliktmanagement: Wie man auch mit schwierigen Charakteren konstruktiv zusammenarbeitet

Hier geht es direkt zum Interview:

Links zum New Leadership Podcast:

Spotify: https://open.spotify.com/show/4v71WqT9eLSIKn9AFrkDlF
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/sebastian-morgner-9007b743/
YouTube: https://www.youtube.com/@Zielstrategie

Transkript

Sebastian Morgner [00:00:00]:
Herzlich willkommen zum heutigen New Leadership Podcast. Ich habe heute eine Gesprächspartnerin, die als Businessfrau mit der Piratenseele bekannt ist. Und woher das kommt, darüber möchte ich gerne mit ihr sprechen. Auf jeden Fall ist sie wohl ganz unternehmungslustig, ist mit 16 Jahren schon als Austauschschülerin in den Vereinigten Staaten gewesen und dann mit 23 Jahren mit ihrem ersten Arbeitgeber nach Argentinien gezogen. Das finde ich schon ganz schön mutig. Aber es kommt noch besser. Mit 25 heuerte sie auf einem Segelschiff an, mit dem sie dann die Welt mit umrundete und bereits mit 31 Jahren war sie Abteilungsleiterin in einem DAX-Unternehmen. Sie blieb dann 15 Jahre in einem Konzern oder in der Konzernkarriere, bevor sie sich selbstständig machte und heute als Keynote-Speaker und als Coach zum Thema Leadership, Diversity und Agility bekannt und allseits geschätzt ist.

Herzlich willkommen, Stefanie Voss.

Stefanie Voss [00:01:07]:
Ja, vielen Dank, dass ich hier sein darf. Ich freue mich über die Einladung.

Sebastian Morgner [00:01:11]:
Ja, also ich fand das ja spannend, weil wir ja auch ein Buch geschrieben haben, Expedition Zukunft, mit einem Segelboot auf dem Cover und haben uns überlegt, dass Segeln und so eine Expedition, dass das eine schöne Metapher für vieles ist, was so im Wirtschaftsleben passiert. Und dann sind wir auf dich gestoßen. Und ich meine, Piraten gab es jetzt bei uns auf dem Boot noch nicht, aber ich bin gespannt. Du nennst ja teilweise das, was du tust, auch die Piraten-Strategie. Vielleicht kannst du ja schon mal in einem Satz anteasern, warum du Piraten so ein spannendes Thema findest.

Stefanie Voss [00:01:52]:
Also erstmal muss man natürlich vorneweg sagen, wenn man über Piraten spricht, so ein kleiner Disclaimer am Anfang lautet natürlich wie folgt. Ich möchte die Verbrechen, die die Piraten begangen haben, und ja letztendlich heute noch begehen. Es gibt ja immer noch Piraten, die möchte ich nicht rechtfertigen. Das mal so vorneweg. Ich bin kein Merkel-Mörder und stehe nicht so sehr hinter diesen Verbrechen. Es gibt allerdings eine ganze Reihe Geschichten und Informationen über Piraten. Wenn man sich mit denen etwas ausführlicher beschäftigt, stellt man fest, dass das extrem wertegetriebene Menschen waren und dass das Menschen waren, die ein hohes persönliches Risiko eingegangen sind, ihre Werte wirklich zu leben. Und die ja einfach sich was getraut haben, wagemutig waren.

Stefanie Voss [00:02:37]:
Das ist so mein Lieblingswort in der Verbindung mit den Piraten. Und wenn ich mir die heutige Zeit angucke, ganz besonders die Zeit seit der Pandemie, aber auch schon vorher, dann denke ich mir, wir leben in so einer Zeit, wo ja viel auch wieder von den alten Tugenden gesprochen wird, aber der Wagemut, der fehlt mir in der Diskussion. Und Piratenstrategie heißt für mich, nicht einfach immer nur nach Potenzialen zu gucken, nach Strukturen, nach Prozessen, nach Best Practices. Im Rahmen von Agilität haben wir jetzt ganz viele neue Techniken, an denen wir uns orientieren. Sondern das heißt für mich auch nochmal wirklich nach den Werten zu gucken und nach dem, was es manchmal braucht, meine Werte wirklich zu leben. Und da finde ich, ist Wagemut einfach ein toller Begriff. Und ich kann den super gut mit den Piraten verbinden. Und deswegen faszinieren sie mich so.

Stefanie Voss [00:03:22]:
Wobei ich direkt sagen muss, als Seglerin, also ich bin Gott sei Dank auf meiner Weltumsegelung nie Piraten begegnet, weil Klar, auf See sind sie natürlich eine wirklich, wirklich valide und große Gefahr. Das sind sie heute noch, das waren sie immer schon in Zeiten der Seefahrt. Und insofern, also ich habe eine große Faszination, aber auf einem Segelschiff auch eine Riesemenge Respekt vor Piraten.

Sebastian Morgner [00:03:46]:
Aber Piraten sind auf jeden Fall oder mussten ja schon immer sehr gute Segler sein. Ja. Was du sagst, es ist ja auch wahrscheinlich immer sehr wichtig, sie im Kontext ihrer Zeit zu schauen, warum sind Menschen und wie wir hören werden sogar Frauen auch Piratinnen geworden. Auf jeden Fall musste man mutig sein und man muss die Kante zeigen und gegen den Strom nicht nur segeln, sondern auch schwimmen, sozusagen, was auch gesellschaftliche Normen anging. Und Wagemut, ja gut, das scheint ja auch bei dir so ein Thema zu sein, also es scheint ein Wert zu sein, der dir auch nicht ganz fremd ist. Du hast ja schon viel von der Welt gesehen und ja, Was hat dich denn damals dazu gebracht, die Welt zu segeln? Was war da deine persönliche Expedition?

Stefanie Voss [00:04:43]:
Dazu muss man eben wissen, ich habe zu der Zeit, als ich die Weltumsegelung gestartet habe, nicht in Deutschland gelebt, sondern ich habe in Lateinamerika gelebt, habe dort für meinen Arbeitgeber gearbeitet in Buenos Aires in Argentinien und hatte damit quasi das Meer ja vor der Haustür. Buenos Aires liegt zwar theoretisch an einem Fluss, aber der Rio de la Plata ist eigentlich kein Fluss, sondern der wirkt wie ein Meer. Du kannst das andere Flussufer überhaupt nicht sehen. Ich habe eine familiäre Vorbelastung, was das Segeln angeht. Ich habe einen sehr berühmten segelnden Großvater. Mein Großvater ist tatsächlich alleine, also Einhand nennt man das unter Seglern, ist ein Hand die Welt gesegelt. Und so ein bisschen war dann natürlich meine Faszination fürs Segeln sowieso schon da. Und ich lebte in Argentinien, ich hab dann die Chance ergriffen, hab dort einen Segelschein gemacht.

Stefanie Voss [00:05:28]:
Ja, und dann hab ich zufällig erfahren, dass eine Gruppe von Schiffen die Welt segelt und dass die auch in Argentinien vorbeikommen werden. Na ja, und ich war immer schon reiselustig, ich war immer unternehmungslustig, ich habe große Geschwister, die auch sehr viele besondere Reisen gemacht haben, Die sind nicht gesegelt, aber die sind eben auch längere Zeit immer unterwegs gewesen. Und dann ist so die Idee in mir gereift, warum heuer ich nicht auf so einem Schiff an? Und dann kam noch ein beruflicher Zufall dazu. Mein Job in Buenos Aires, der sollte verlegt werden. Ich war in der Lateinamerika-Vertretung. Diese Vertretung wurde verlegt nach Sao Paulo, nach Brasilien. Und es hätte für mich halt gehießen, Umzug nach São Paulo, wieder eine neue Sprache. Ich hatte dann zu dem Zeitpunkt natürlich dann Spanisch gelernt, hätte dann noch Portugiesisch lernen müssen.

Stefanie Voss [00:06:12]:
Und ganz ehrlich, ich hatte einfach auch gar keinen Bock auf diesen Wechsel. Und dann kam mir diese Idee mit der Weltumsegelung ganz gelegen. Und ich hab dann einfach mal meine Finger ausgestreckt, hab gesagt, ja, mal gucken, ob das überhaupt geht. Hab dann bei meinem Chef und auch bei meinen sozusagen Vorgesetzten in Deutschland mal nachgefragt. Ja, und zu meinem großen Erstaunen hab ich da irgendwie offene Türen vorgefunden und habe das tatsächlich auch noch beruflich so regeln können, dass ich so eine Art Sabbatical bekommen habe. Das gab es natürlich damals alles noch gar nicht, sondern ich habe dann da so eine besondere Regelung arrangieren können. Aber ich konnte nicht nur diese Weltumsegelung machen, sondern mein Arbeitgeber hat mir sogar gesagt, wenn ich danach zurückkommen möchte, dann kann ich auch gerne zurückkommen. Und dann ist die Entscheidung gereift.

Stefanie Voss [00:06:55]:
Ja, und dann bin ich in Argentinien an Bord gegangen, bin zurück nach Deutschland gesegelt, aber eben nicht den direkten Weg, sondern quasi einmal hinten rum. Also Magellanspuren

Sebastian Morgner [00:07:05]:
sozusagen.

Stefanie Voss [00:07:05]:
Genau, man könnte sozusagen am Ende sagen, ich habe den Beweis angetreten, die Erde ist eine Kugel. Man kann in eine Richtung segeln und ganz woanders wieder rauskommen.

Sebastian Morgner [00:07:19]:
Es gibt ja jetzt auch noch immer Verschwörungstheorien. Die haben ja eine Scheibe. Ich bin mir da nicht so sicher.

Stefanie Voss [00:07:25]:
Ja, also ich bin mir da total sicher und ich kann dir sagen, ich habe so lange auf den Horizont geguckt und bin da hin gesegelt und bin nie runtergefallen. Und auf einmal waren wir wieder in Europa, obwohl wir in die falsche Richtung gesegelt sind. Also das Ding mit der runden Erde, mit der Kugel, das stimmt wirklich.

Sebastian Morgner [00:07:43]:
Und was hat dich da so fasziniert am Segeln? Was bedeutet das für dich? Also, es ist ja schon eine Umstellung. Du warst ja relativ jung, du hattest schon viel erlebt, du warst schon in verschiedenen Kulturen gewesen und dann plötzlich so die Entscheidung für Monate. Ich weiß nicht, wie lange wart ihr unterwegs auf so

Stefanie Voss [00:08:05]:
einem Schiff? Ja, also ich war 14 Monate auf dem Schiff oder auf verschiedenen Schiffen, aber die meiste Zeit eben auf einem deutschen Schiff, am Anfang auf einem englischen und amerikanischen Schiff. Die meiste Zeit bin ich auf einem deutschen Schiff gesegelt. Also das Spannende ist natürlich, dass es ganz anders ist, als ich es mir vorher vorgestellt habe. Und das ist ja auch gar keine Überraschung, weil es ist ziemlich schwierig, sich ja aus so einer landlebenden Position vorzustellen, wie ein Seglerleben denn so aussieht. Und ich hatte natürlich, wie wahrscheinlich jeder, so eine sehr naive und auch romantische Vorstellung vom Segeln. Und natürlich, also ich gebe mal zu, ich war ja noch sehr jung, ich fand mich natürlich auch selber wahnsinnig cool, dass ich das gemacht habe. Das überall rum erzählt und habe natürlich viel Bewunderung geerntet. Ich gehe jetzt auf Feldumsegelung und so weiter.

Stefanie Voss [00:08:51]:
Es ist tatsächlich hart, aber gar nicht so sehr die seglerische Seite. Also ja, wir hatten auch Stürme und ja, ich wurde auch seekrank und es war auch kalt und nass und alles das, was dazugehört. Die allergrößte Herausforderung ist tatsächlich die menschliche Komponente, nämlich überraschend auf sehr engem Raum mit sehr unterschiedlichen Leuten über sehr lange Zeit eingesperrt zu sein. Das wissen wir spätestens alles seit Big Brother, dass das nicht so einfach ist. Und das haben wir natürlich auch auf dem Segelschiff genauso erlebt. Und das war für mich, ich bin ein sehr freiheitsliebender Mensch. Ich habe ein durchaus, na sagen wir mal, ausgeprägtes Ego. Und diese Weltumsegelung und vor allem diese Zeit an Bord auf dem Meer war für mich eine sehr große Herausforderung, die mich viel, viel mehr gefordert hat, als ich mir das vorher überhaupt nur ansatzweise hätte vorstellen können.

Sebastian Morgner [00:09:44]:
Wie ist das denn da, wenn man, Ihr seid ja dann über den stillen Ozean, im Pazifik.

Stefanie Voss [00:09:49]:
Genau.

Sebastian Morgner [00:09:49]:
Wie lange ist man da unterwegs ohne Land zu sehen?

Stefanie Voss [00:09:53]:
Also Gott sei Dank hat ja der Pazifik auch ein paar Inseln, die sind zwar sehr klein, aber man findet sie. Da gibt es ja so zwischendrin mal die Osterinsel und noch ein paar andere Vanuatu etc. Also es gibt ein paar kleine Inselreiche und wir haben natürlich auch dann Stops gemacht, aber wir waren schon ja auch mal 14 Tage auf See, 14 Tage wirklich von Hafen zu Hafen. Das ist logistisch eine Herausforderung, wenn du 14 Tage proviantieren musst. Aber das ist vor allem menschlich eine Herausforderung. Weil natürlich sind immer Menschen an Bord, die gehen dir nach zwei Tagen schon höllisch auf die Nerven. Dann sind aber noch zwölf Tage zu schaffen. Und man ist ja wirklich 24 Stunden, ja, man hockt einfach aufeinander.

Stefanie Voss [00:10:34]:
Also ich war auf einem relativ großen Schiff, 20 Meter lang, 66 Fuß, das ist ein richtig solides, großes Schiff, das ist keine Nussschale in dem Sinn. Also unter Segelschiffen muss man jetzt sagen, klar, wenn man sich ein Kreuzfahrtschiff anguckt, ist das natürlich eine Nussschale. Aber für ein Segelboot kann man damit wirklich schon gut die Welt segeln. Und das sind aber so, naja, vielleicht 35 Quadratmeter, wenn du die Decksfläche und die Unterdecksfläche zusammen packst. Und 35 Quadratmeter für, wir waren immer so je nach Etappe zwischen so 10 und 15 Personen, das hat so ein bisschen geschwankt, aber sperre dich einfach auf 35 Quadratmetern mit 12 Leuten für 14 Tage ein und schau mal, wie es wird. Und die Ausstiegsoption heißt halt Selbstmord.

Sebastian Morgner [00:11:18]:
Ich habe das schon mal mit vier anderen für fünf Tage gemacht und da muss die schon mich immer wieder mal in die Manikurie zurückziehen, weil ich irgendwie meine Ruhe brauche. Aber ich finde es ganz spannend, weil es ist ja tatsächlich so, wenn man an Segeln denkt, denkt man eigentlich an Freiheit, weil man eben den Horizont und das Meer vor Augen hat, aber eigentlich ist man ja extrem eingesperrt. Also eigentlich ist man, man erlebt ja genau das Gegenteil von Freiheit, obwohl man die Freiheit quasi ständig vor Augen hat. Das muss auch ein komisches Gefühl sein.

Stefanie Voss [00:11:50]:
Du hast den Moment der Freiheit, wenn du die Wachzeit hast von drei bis sechs Uhr morgens. Wenn die anderen in der Regel schlafen und nur deine eigene Wachgruppe wach ist. Wenn die anderen beiden gerade unten sind und einen Tee trinken oder einen Kaffee trinken oder Brot backen fürs Frühstück oder so und du stehst einfach alleine am Steuer, du bist alleine an Deck, hast noch vielleicht einen schönen Passat, der gerade weht und stehst einfach da und segelst und Der Mond ist noch über dir und die Sterne. Das sind so die Momente von unendlichem Freiheitsgefühl. Aber das sind natürlich nur einzelne Momente im Laufe eines 24-Stunden-Rhythmuses. Und diese Momente habe ich sehr genossen, auf jeden Fall. Ansonsten fühlt es sich aber in der Tat häufig ziemlich unfrei an. So eine Anekdote, die ich auch gerne erzähle, ist, du hast an Bord keine Privatsphäre.

Stefanie Voss [00:12:39]:
Das Einzige, was du hast, ist deine Koje. Wir hatten immerhin eigene Koje. Es gibt Schiffe, auf denen sich die Kojen geteilt werden. Das war bei uns nicht so. Ich hatte wirklich eine eigene Koje. Jetzt muss man aber wissen, dieses Stückchen Privatsphäre, was ich da hatte, meine Koje, lag am Durchgang zur Toilette, zur einzigen Toilette an Bord. Also so richtig privat war selbst die Koje nicht. Und das ist natürlich was, ja, das ist einfach erst mal ein Gewöhnungsprozess, das irgendwie zu schlucken und zu verdauen und damit klarzukommen.

Sebastian Morgner [00:13:08]:
Und was würdest du sagen, was waren so deine wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Weltumrundung? Was hat dich da am meisten geprägt?

Stefanie Voss [00:13:16]:
Also am meisten geprägt hat mich tatsächlich das zwischenmenschliche Zusammenleben. Und so in einem Satz, die Erkenntnis, dass Recht haben wollen jeden Preis, ist auf so einem Schiff, in so einer Gruppe einfach eine unglaublich schlechte Idee. Und sich irgendwie mit anderen Menschen zu arrangieren und mit ihnen klar zu kommen, auch wenn ich sie persönlich vielleicht nicht besonders sympathisch finde, das ist sicherlich etwas, was ich auf dieser Reise gelernt habe und was natürlich dann im Nachgang in meiner weiteren beruflichen Laufbahn bis zum heutigen Tag, ist das einfach eine große, große Fähigkeit, dass ich mich nicht so schnell aufrege und dass ich, ja, auch bei Menschen, die ich jetzt grundsätzlich auf den ersten Blick nicht wahnsinnig nett und sympathisch finde, dass ich mit denen einen guten Umgang finde, dass ich immer irgendwas entdecken kann, was ich an denen respektiere, was ich an denen wertschätze. Und ich sage mal so, ich habe mir da mein Ego echt ganz schön gut abgeschliffen. Und deswegen habe ich heute immer noch ein ausgeprägtes Ego, aber natürlich ganz, ganz anders, als ich das vor der Reise hatte. Da habe ich einfach wirklich, wirklich viel gelernt.

Sebastian Morgner [00:14:21]:
Ja gut, ein Ego ist ja auch nicht unbedingt schlecht.

Stefanie Voss [00:14:24]:
Nee, genau.

Sebastian Morgner [00:14:26]:
Ich sage immer, das ist wie so eine Waffe, die man im Halfter trägt. Aber man sollte halt nicht ständig damit rumballern, sondern wirklich, es reicht schon, wenn die anderen sehen, okay, da ist jemand, der lässt jetzt nicht unbedingt alles mit sich machen.

Stefanie Voss [00:14:38]:
Genau. Also ja, du musst natürlich schon auch deinen Punkt machen können, aber sehr häufig im Leben verstritten wir uns in Situationen, wo es uns darum geht, Recht zu haben. Einfach des Rechthabens willen. Das ist natürlich blöd und muss manchmal einfach nicht sein. Was du halt lernst, ist, was wir im Leadership-Training oft in diesem englischen Begriff zusammenfassen, to agree to disagree. Also sich darauf einigen zu können, dass es eine Situation gibt und dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Blickweisen auf diese Situation haben. Das ist etwas, was tatsächlich auch an Bord einfach schnell gelernt wird, weil du kannst am Ende nicht jeden so zurechtbiegen, wie du das gerne hättest. Die Menschen sind unterschiedlich und sie bewerten Dinge unterschiedlich und sie sehen Dinge unterschiedlich und manches muss man einfach auch mal stehen lassen.

Stefanie Voss [00:15:29]:
Und dieses Stehenlassen ist mir vorher wahnsinnig schwer gefallen Und das kann ich heute sehr, sehr gut.

Sebastian Morgner [00:15:36]:
Ja, und ich glaube, das ist letztendlich immer, ich meine, im Wirtschaftsleben oder im Berufsleben kann man sich natürlich auch aus dem Weg gehen häufig. Aber wenn man dann hart auf hart kommt, wenn man ein wichtiges Projekt hat, dann ist man ja auch so zusammengeschweißt und dann wird es sehr verbindlich und dann kann man sich nicht mehr aus dem Weg gehen und dann kommen wahrscheinlich auch öfter mal solche Schiffsmomente in Teams hoch, wo du halt einfach nicht auskannst und dann ist es wahrscheinlich sehr wichtig zu wissen, wie reagiere ich jetzt eigentlich, wie gehe ich mit den Interessenkonflikten richtig in diesem Moment.

Stefanie Voss [00:16:09]:
Ja genau, also du hast, du lernst einfach eine besondere Art der Konfliktfähigkeit und da sind wir dann direkt schon wieder bei den Piraten, weil das ist halt auch so spannend. Die haben halt auch schon vor hunderten von Jahren verstanden, dass es auf der einen Seite wichtig ist, einen guten Diskurs zu haben, sich auszutauschen, zu diskutieren, auch konstruktiv zu streiten. Die haben aber genauso verstanden, dass es wirklich nicht gut ist, wenn jemand immer wieder seinen Dickkopf durchsetzen muss. Es gibt Menschen, die zetteln sehr gerne und häufig und auch penetrant Konflikte an. Auf Piratenschiften wurden solche Leute knallhart bestraft, weil klar war, in einer Mannschaft ist so ein schwelender Konflikt, der ständig immer wieder hochkocht. Der ist Gift. Der ist Gift für die Zusammenarbeit. Der ist Gift für das gegenseitige Vertrauen.

Stefanie Voss [00:16:56]:
Und der ist natürlich dann besonders Gift, wenn ich sowieso schon irgendwie in der Unterzahl bin und wirklich darauf angewiesen bin, Schulter an Schulter zu kämpfen und füreinander einzustehen, dann kann ich sowas überhaupt nicht brauchen. Und deswegen sind ja Piraten mit so Streithähnen sehr, sehr, naja, sagen wir mal, konsequent umgegangen, es mal so zu formulieren.

Sebastian Morgner [00:17:19]:
Ja, kannst du denn nochmal ganz schnell uns einen Überblick geben, was denn so die Geschichte der Piraten ist? Also, wann gab es die ersten Piraten und wo hat sich das eine Hochphase oder mit welchen Piraten haben dich jetzt besonders inspiriert, auch wenn du deine Kino-Hotels oder wenn du den Transfer ins Wirtschaftsleben zu den Themen von Führung zum Beispiel vornimmst?

Stefanie Voss [00:17:42]:
Ja, also grundsätzlich gibt es natürlich Piraten, solange es Seefahrt gibt. Also in dem Moment, wo Menschen auf Schiffe gestiegen sind, haben sie genau wie an Land auch angefangen, verbrecherisch tätig zu sein. Und eines der berühmtesten ersten frühen Opfer der Piraterie ist tatsächlich Gaius Julius Caesar. Der ist auch schon mal entführt worden von Piraten. Also Piraterie gab es eigentlich immer, solange eben irgendwie zur See gefahren wurde. Besonders berühmt und bekannt und auch für mich besonders faszinierend ist tatsächlich das sogenannte goldene Zeitalter der Piraterie. Das ist so dieses klassische Karibik-Piraten, also 1640, 1550 bis 1710 ungefähr. Das hat auch schon vorher angefangen, ist auch noch ein bisschen länger gegangen, aber das war so die ganz, ganz, ganz große Zeit der Henry Morgans, Francis Drakes, Blackbeard etc., wie sie alle heißen.

Stefanie Voss [00:18:33]:
Und natürlich auch die Zeit, in der die ganzen Piratenfilme verortet sind. Ganz vorneweg natürlich Jack Sparrow von dieser Disney-Figur. Also das ist faszinierend. Und ja, die Geschichte der Piraten zu dieser Zeit ist insofern faszinierend. Warum gab es da überhaupt so viele Piraten? Das kann man sich ja mal fragen. Warum hat das so eine Blüte erfahren? Der Hintergrund war einfach der, dass wir natürlich, wenn wir uns mal die Seefahrt zu der Zeit angucken, dann gab es viele, natürlich vor allem junge Männer, die zur See gefahren sind. Und diese jungen Männer wurden zum allergrößten Teil, auch wenn sie eigentlich, ich sag mal, englische, irische, französische Seeleute waren, die wurden wirklich behandelt wie der letzte Dreck. Anders kann man es gar nicht sagen.

Stefanie Voss [00:19:12]:
Sie waren im Grunde genommen Leibeigene ihrer Kapitäne. Es war relativ egal, ob sie auf einem Handelsschiff oder auf einem Kriegsschiff, also Marineschiff unterwegs waren. Sie wurden wirklich behandelt wie Vieh. Sie mussten arbeiten, arbeiten, arbeiten. Sie bekamen wenig, manchmal auch überhaupt gar keinen Lohn. Wenn sie krank waren, wurden sie nicht besonders gut versorgt. Sie hatten natürlich nichts zu melden und nichts zu sagen. Und sie waren natürlich eben auch wahnsinnig lange auf See.

Stefanie Voss [00:19:39]:
Sie haben diesen Zustand unglaublich lange aushalten müssen. Und da gab es sicherlich eine ganze Reihe von denen, die das einfach nicht mehr ausgehalten haben und die das auch nicht mit sich machen lassen wollten. Und die natürlich eben auch noch nicht bereit waren, ihr Leben zu beenden und über Bord zu gehen und sich einfach das Leben zu nehmen.

Sebastian Morgner [00:19:55]:
Und deswegen… Du meinst, es hat was mit Würde zu tun gehabt?

Stefanie Voss [00:19:57]:
Ja, es hat was mit Würde, es hat was mit Werten, Es hat was mit Freiheit und Selbstbestimmung zu tun. Und diese Freiheit und Selbstbestimmung, die gab es auf diesen Schiffen überhaupt nicht. Und die gab es aber, und das wissen die wenigsten, die gab es unter den Piraten. Piraten haben sehr demokratisch gelebt. Sie haben sehr freiheitlich gelebt. Sie haben sehr selbstbestimmt gelebt. Klar waren da Leute auch aus auf Beute, aber das war meistens nicht der primäre Grund, sondern der primäre Grund war, ein selbstbestimmtes, ein freiheitliches Leben zu führen. Und das war sozusagen in dieser Zeit, in der Seefahrt, nur auf einem Piratenschiff möglich.

Sebastian Morgner [00:20:36]:
Ich habe tatsächlich am Wochenende so eine Dokumentation über Piraten gesehen, weil ich neugierig war. Und man muss ja sagen, letztendlich, glaube ich, diese Blüte, die war ja auch einem riesigen Verbrechen zu verdanken, nämlich der systematischen Ausbeutung Lateinamerikas durch die Spanier und dieser spanischen Handelsflotte, die die ganzen Silber- und Goldvorkommen nach und nach nach Europa transferiert hat. Und was ich ja auch interessant fand, dass es ja mit diesen Freibeutern begann. Das heißt, die wurden ja auch am Anfang von den gegnerischen Mächten, wurden Piraten ja als Söldner quasi eingesetzt. Und nur als man dann irgendwann gesagt hat, so jetzt reicht, jetzt dürft, müsst ihr euch hinhocken und eure Freibeuterbriefe verbrennen. Da hatten die dann aus unaufhindlichen Kundengründen keine Lust, sich auf irgendeine Insel zu setzen und zu verhungern. Also es ist ja auch immer spannend, dass ja Gut und böse auch meistens relativ, also von der Perspektive abhängend.

Stefanie Voss [00:21:35]:
Ja, also sie wurden natürlich, sie waren auch ein Spielball der Geschichte, ganz klar. Aber das Spannende ist eben, dass trotzdem, egal ob sie jetzt als sogenannte Freibäuter unterwegs waren, also mit so einem Kappabrief oder ob sie eben in eigener Regie unterwegs waren. Es galten eigentlich auf den Piraten Schiffen meistens sehr, sehr ähnliche Regeln. Und das ist zum Beispiel total spannend, ein demokratisches Führungsprinzip. Also ja, natürlich gab es einen Kapitän, aber es gab auch einen Quartiersmeister quasi als Gegengewicht zum Kapitän. Die Kapitäne wurden gewählt. Und wenn sie nicht funktioniert haben, wurden sie auch wieder abgewählt. Es wurde gemeinschaftlich entschieden, was für einen Angriff fahren wir als Nächstes.

Stefanie Voss [00:22:12]:
Und wenn ich jetzt keine Lust hatte, da mitzumachen, dann konnte ich nach so einer Wahl, wenn eine Mehrheitsentscheidung gegen meinen Wunsch gefallen ist, dann konnte ich das Schiff auch wieder verlassen. Also es gab schon sehr, sehr basisdemokratische Prinzipien, die natürlich vor allem zu dem Zeitpunkt ja im Rest der Welt völlig unmöglich waren. Ja, also Da war noch nix mit Demokratie in irgendwelchen westlichen Ländern oder sowas. Das gab es tatsächlich nur unter den Piraten auf den Piratenschiffen, bzw. Es gab ja sogar eine kleine Piratenrepublik in der Karibik für ein paar Jahre. Das war natürlich dieser Zeit wahnsinnig voraus. Und es zeigt eben noch mal, wie wichtig diese Freiheitswerte und die Selbstbestimmungswerte für diese Menschen waren.

Sebastian Morgner [00:22:55]:
Ja, das ist ja spannend. Hast du eine Erklärung, warum das so war? Warum das so basisdemokratisch war?

Stefanie Voss [00:23:02]:
Naja, ich glaube, die hatten einfach den bittersten und bösesten Teil der anderen Welt, also der zu der Zeit realen Welt erleben müssen und haben sich deswegen diesen basisdemokratischen Grundgedanken so verschrieben, weil sie natürlich in der quasi gesetzlichen Gesellschaft das unterste, das letzte Glied der Kette waren. Also wenn ich jetzt irgendwie in einer englischen reichen Familie groß geworden bin, ja auch als junger Mann und mein Vater war ein reicher Handelsmann und dann habe ich natürlich ein wunderbares Leben letztendlich sogar in Saus und Braus geführt. Da hatte ich überhaupt gar keinen Grund gegen sowas aufzubegehren, aber die Seeleute waren wirklich das unterste Glied der gesellschaftlichen Kette Und deswegen haben sie natürlich auch das größte Bedürfnis gehabt, sich gegen die Normen, die damals galten, aufzulehnen und aufzubegehren.

Sebastian Morgner [00:23:55]:
Aber das hieß natürlich auch, dass der Kapitän im Prinzip, der musste über seine Autorität, über seine Persönlichkeit wirken. Das heißt, er konnte nicht irgendein Zertifikat zeigen und sagen, wenn ihr mich blöd anmacht, dann rufe ich die Polizei oder dann werde ihr alle den Kopf kürzer gemacht, sondern der musste sich jeden Tag aufs Neue bewähren.

Stefanie Voss [00:24:16]:
Ja, der musste sich bewähren, er musste sich durch seine Persönlichkeit beweisen Und das finde ich ist aber auch wieder ein schöner Transfer in die heutige Zeit. Ich meine, was sind die besten Führungskräfte? In der heutigen Zeit, genauso wie damals, sind doch die wirklich guten Führungskräfte, sind genau die, die über ihre Persönlichkeit und über ihre Integrität überzeugen. Und klar müssen die auch noch Fachwissen haben und die müssen noch was drauf haben. Das war damals nicht anders. Ein guter Kapitän konnte auch navigieren und konnte auch segeln, ganz klar. Aber die Persönlichkeit war ein ganz entscheidender Faktor. Und das hat sich überhaupt nicht geändert in der Führung bis heute. Und wenn ich heute coache, wenn ich Führungskräfte-Coaching mache, dann ist das immer so meine Lieblingsfrage zum Einstieg.

Stefanie Voss [00:24:54]:
Dann fange ich ein Coaching an und sage, sind sie bereit für die Piratenfrage? Und dann gucken mich meistens meine Klienten etwas irritiert an, Was kommt denn jetzt? Und die Piratenfrage lautet einfach, wenn sie eine Führungskraft sind, stellen Sie sich doch mal vor, Ihre Mannschaft hätte die Wahl. Würden die Sie eigentlich zum Anführer wählen? Ja oder nein? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Und wenn du die Frage zum Einstieg in ein Führungskräftekoaching stellst, dann hast du ziemlich schnell die relevanten Themen, die es in diesem Coaching gehen wird, die hast du ziemlich schnell auf dem Tisch.

Sebastian Morgner [00:25:28]:
Das glaube ich. Ja, das ist eben spannend, weil ich vermute, dass viele, auch Menschen in Führungsrollen, doch sehr stark ihre Legitimation dann über ihren Titel und über ihre Position im Organigramm und über das Kästchen, auf dem ihr Name steht, ziehen. Und das ist schon eine andere Denkweise, wenn man sagt, okay, stelle dir mal vor, das alles gäbe es nicht. Was qualifiziert mich dann eigentlich noch dazu, dass die anderen mir folgen? Und das ist ja, heute wird es vielleicht nicht unbedingt gemeutert, sondern die guten Talente verlassen dann einfach eher das Unternehmen. Schiffswechsel ist wahrscheinlich leichter, als das zur Zeit der Piraten teilweise noch war. Oder es wird halt innerlich gekündigt sozusagen und man macht halt einen Dienst nach Vorschrift. Ja, ja. Ja, und was meinst du, was sollte man sich von so einem Piratenkapitän so abgucken in einer Führungsrolle? Was sind da so die wichtigsten Eigenschaften?

Stefanie Voss [00:26:28]:
Also es gibt sicherlich ganz viele unterschiedliche. Ich finde zum Beispiel ein Thema, was bei Francis Drake sehr, sehr auffällig ist, der ja auch sehr, sehr lange unterwegs war. Francis Drakes Weltumsegelung hat fast drei Jahre gedauert und das Spannende an seiner Beutereise ist einfach, dass sie extrem gut dokumentiert ist. Francis Drake hatte einen Schreiber an Bord, das gab es natürlich nicht auf besonders vielen Schiffen, aber bei ihm wissen wir sehr genau, wie tatsächlich das Leben an Bord vor sich gegangen ist. Und bei ihm war total spannend, dass er dieses Prinzip Augenhöhe, was wir ja heute auch in der Führungskräfteentwicklung immer wieder besprechen und predigen so ein bisschen auch. Das hat er total verinnerlicht. Also er hat zunächst mal die Leute an Bord, egal in welcher Rolle und Funktion sie da waren, extrem gut behandelt. Aber Er hat zum Beispiel auch Gefangene sehr gut behandelt.

Stefanie Voss [00:27:17]:
Bei ihm an Bord wurden auch Gefangene nicht gefoltert. Die bekamen genug zu essen. Die wurden medizinisch versorgt, wenn das notwendig war. Also er ist einfach den Menschen erstmal, egal woher sie kamen, egal wer sie waren, mit einer großen Portion Respekt begegnet und mit einer großen Portion von Fairness und einfach auch Gleichheit. Und das ist natürlich eine Führungsqualität, die ist heute ja auch immer noch total wichtig. Es gibt ja diesen schönen Spruch, ja, frag den Pförtner eines Unternehmens, was herrscht hier für eine Führungskultur, der kann dir das ganz schnell sagen. Und dieses Prinzip Augenhöhe, finde ich, ist zum Beispiel etwas, das galt damals schon, und das gilt natürlich heute genauso. Andere Piraten stehen für andere Themen.

Stefanie Voss [00:27:58]:
So ein Ding, was Piraten generell ausmacht und was ich auch heute für die Führung wichtig finde,

Sebastian Morgner [00:28:04]:
ist

Stefanie Voss [00:28:05]:
so ein Stück weit aus den Normen der vergangenen Jahre auszubrechen. Also wir erleben ja heute eine Welt, die ganz anders ist als die Welt noch in den 80er, 90er, 2000er Jahren. Im Grunde genommen ja auch sogar seit 2015. Ja, es hat sich ja in den letzten Jahren wahnsinnig viel getan. Und jetzt durch die Pandemie natürlich nochmal ganz viel. Und Piraten haben immer so ein bisschen darauf gefiffen, was man denn so macht, was denn so konform ist. Die haben immer ihre eigenen Regeln geschrieben und haben auch viel ausprobiert und waren sehr innovativ im Grunde genommen in ihrer Kriegsführung, in ihrer Schiffsführung, waren einfach immer wieder, sie sind immer wieder hingegangen und haben sich überlegt, wie können wir Dinge anders machen, Wie können wir neu an der Aufgabenstellung herangehen? Und das, finde ich, ist auch etwas, was in der heutigen Zeit von Führung verlangt wird. Ich meine, jetzt haben wir diese riesengroße Debatte im Moment.

Stefanie Voss [00:28:55]:
Wie sieht eigentlich die Arbeitswelt post-Corona oder mit Corona ist es ja immer noch, Wie sieht das eigentlich alles aus? Und da wird auch wieder von Führung verlangt, neue Wege zu gehen, neue Ideen zu haben, Neues auszuprobieren. Das Festhalten an, ich sag mal, der Welt von November 2019, das kann ja keiner mehr ernst nehmen. Das kommt ja nie mehr zurück. Und ich finde, das sind auch Piraten haben einfach immer wieder gezeigt, dass der Status quo, irgendwann mal der Status quo war, aber dass das auf jeden Fall nichts ist, an dem es sich lohnt, festzuhalten. Das ist zum Beispiel auch was, was ich heute in der Führung ganz wichtig finde. Ja, nicht Änderung der Änderung willen, aber wir erleben so viel Resistenz in der Veränderung, so viel Resistenz in Change-Prozessen, dass für mich heute eine gute Führungskraft ist, ist jemand, der sich immer wieder die mühselige Arbeit macht, sich anzugucken, wie ist gerade der Status quo und was muss sich daran verändern, was wollen wir verändern, was für Möglichkeiten gibt es noch und nicht einfach dieses, haben wir immer schon so gemacht, bleibt.

Sebastian Morgner [00:30:00]:
Ja, die mussten wahrscheinlich einfach extrem flexibel bleiben, weil sie wussten, dass sie auch große Gegner haben, die sobald da sich Routinen eingeschlichen hätten, wahrscheinlich dann auch zugeschlagen hätten. Ich fand noch so einen Aspekt ganz spannend, den du ja schon mal in einem Vorgespräch erwähnt hast, nämlich die Diversität. Und ich habe mich tatsächlich gefragt, also waren auf so einem Schiff Leute aus verschiedenen Ländern und was war denn dann da überhaupt die Schiffssprache oder wie haben die sich verständigt? Also…

Stefanie Voss [00:30:31]:
Also die Diversität war groß und die war natürlich auch notwendigerweise groß, weil wenn du zum Beispiel in der Karibik auf Beutezug gegangen bist, dann konnte es ja sein, dass dir ein spanisches Schiff über den Weg läuft, ein französisches, ein englisches. Da gab es ja ganz unterschiedliche oder die Holländer auch. Das heißt, du brauchtest erstmal Leute, die unterschiedliche Sprachen sprachen, dich einfach mit der Mannschaft, die du dann überfallen hast, irgendwie doch auch verständigen zu können. Man hat ja nicht grundsätzlich alle abgeschlachtet, sondern man hat ja häufig auch versucht, Leute dann zu sich zu holen. Also sprachliche Diversität war wichtig. Piraten waren aber auch grundsätzlich insofern divers, als dass natürlich Menschen aus unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten auf die Piratenschiffe kamen. Also durchaus auch gut gebildete Menschen, aber natürlich auch ganz einfache Leute. Viele Sklaven sind zu Piraten geworden, weil sie natürlich auch segeln konnten, kräftig waren, dann auch wieder afrikanische Sprachen sprachen und damit auch wieder einen wertvollen Beitrag geleistet haben.

Stefanie Voss [00:31:26]:
Und ja, es gab natürlich auch Frauen unter den Piraten, zugegebenermaßen auch gerade in diesem Karibikkontext, die totale Minderheit. Aber es gab tatsächlich eine große Diversität und die wurde gepflegt und die wurde auch gebraucht, weil man eben natürlich verstand, dass man eben zum Beispiel alleine schon mit den unterschiedlichen Sprachen viel schlagkräftiger war.

Sebastian Morgner [00:31:49]:
Das ist total spannend. Ich habe mich vor allen Dingen dann gefragt, wozu haben die eigentlich diese ganzen Überfälle gemacht? Weil so richtig, haben die ja dann auch in Saus und Braus gelebt oder haben die das eher, war Freiheit eigentlich das höhere Gut und gar nicht unbedingt, damit so reich zu werden und sich Schlösser zu bauen? Weil ich meine, die meiste Zeit haben sie ja wahrscheinlich auf ihrem Schiff verbracht. Ich weiß nicht, wie dieses Nassau, diese Piratenrepublik war, aber was meinst du, was die Hauptmotivation war?

Stefanie Voss [00:32:19]:
Also die Hauptmotivation war schon natürlich auch Beute machen und gut davon leben können, gar keine Frage. Sie haben sehr häufig Schiffe überfallen, die ein bisschen größer waren, beziehungsweise die aus irgendeinem Grund attraktiv auch als Schiff waren. Also Piraten haben ja in der Regel keine Schiffe selber gebaut, sondern sie haben ja Schiffe erbeutet. Und wenn ich jetzt zum Beispiel nur eine kleine Schaluppe hatte, die war zwar flink und wendig, aber die konnte nicht so viel Ladung aufnehmen, dann hatte ich natürlich das Interesse, meine Flotte zu erweitern und irgendwann auch mal ein dickeres Schiff, womit ich auch Ladung transportieren konnte, zu erbeuten. Also sie haben schon auch strategisch geguckt, was brauche ich jetzt noch und versenke ich ein Schiff eher oder mache ich es zu meinem eigenen Schiff und was für Schiffstypen habe ich schon, was will ich noch haben, wofür kann ich die gut brauchen? Dann brauchst du je nachdem, wo du in der Karibik unterwegs bist, brauchst du halt Schiffe mit wenig Tiefgang, weil es sehr flach ist. Also klar ging es auch Beute, klar ging es auch ein, naja, sagen wir mal gutes Leben. Die wenigsten haben sich allerdings wirklich an Land niedergelassen. Ein klassisches Beispiel ist Henry Morgan.

Stefanie Voss [00:33:19]:
Der hatte ja tatsächlich nachher auch eine Zuckerrohrplantage und hat sich an seinem selbst produzierten Rum, naja, so ein bisschen zu Tode gesoffen. Von dem kommt

Sebastian Morgner [00:33:27]:
Morgan rum, oder?

Stefanie Voss [00:33:30]:
Ja, also der hat Zuckerrohrplantagen gehabt und da wurde eben Rum hergestellt, also den Henry Morgan Rum, den wir alle kennen. Diesen Henry Morgan gab es und es gab auch seine Plantage. Aber die allermeisten haben wahrscheinlich doch einfach zum Überleben bzw. Zum Aufstieg in der Piraten-Hierarchie Beute gemacht. Aber sie brauchten natürlich auch Geld zum Leben quasi. Und eins ist natürlich auch noch interessant und spannend, so dieses ganze Thema Sozialversicherung und Füreinander sorgen, da sind die Piraten auch ein mega spannendes Vorbild, Denn sie haben, wenn sie Beute gezogen haben, dann haben sie immer diejenigen, die sich im Kampf in irgendeiner Form schwer verletzt haben, die wurden immer zuerst bezahlt oder man sollte eigentlich sagen kompensiert. Also wenn du im Kampf einen Finger verloren hast, ein Auge verloren hast, einen Arm verloren hast, ein Bein verloren hast, dann gab es festgelegte Beträge, die du als Kompensation bekommen hast, dich abzusichern. Dich finanziell abzusichern.

Stefanie Voss [00:34:32]:
Und aus dem Beutetopf sozusagen wurden immer erst die Verletzten bezahlt. Und erst wenn die alle bezahlt waren, erst dann wurde der Rest quasi gleich geteilt und dann kriegten alle ihren Anteil. Aber die Versorgung derjenigen, die im Kampf zu Schaden gekommen sind, die hatte immer Priorität. Und auch das finde ich ein sehr, sehr spannendes Konzept. Und für die Zeit, ja vor 400 Jahren, ist das ja super innovativ gewesen.

Sebastian Morgner [00:35:00]:
Und du hast gesagt, dann wurde der Rest verteilt. Wurde der denn relativ gleich verteilt? Also hat der Kapitän jetzt nicht irgendwie den allergrößten Teil abgekriegt?

Stefanie Voss [00:35:09]:
Also es gab immer feste Regelungen, nach denen geteilt wurde. Die waren aber vorher bekannt. Also es gab eine totale Gehaltstransparenz. Es war ganz klar, oft ist es so gewesen, dass der Kapitän quasi einen zweifachen Anteil bekam, der Quartiersmeister bekam meistens anderthalbfach. Manchmal bekam auch noch der Schiffsschreiner und der Schiffsarzt bekamen ein bisschen mehr. Und dann wurde aber alle anderen bekamen quasi genau den gleichen Teil. Und das wurde aber transparent gemacht, bevor man auf Beutezug ging. Also wenn du quasi angeheuert hast in einer Mannschaft, dann hattest du ein Gehaltstransparenzgesetz, wie wir das jetzt immer wieder fordern, das gab es schon.

Stefanie Voss [00:35:47]:
Also es wusste jeder genau, zumindest im Verhältnis zu seiner eigenen Bezahlung, was die anderen bekommen würden.

Sebastian Morgner [00:35:55]:
Das ist ja auch spannend. Also da gibt es ja einige Analogien, auch gerade wenn man an das neue Arbeiten, die Zukunft von Arbeit denkt. Was würdest du sagen, wenn du jetzt Teams oder Organisationen berätst, was sind so deine wichtigsten Analogien, wo du sagst, da solltet ihr euch ein bisschen was abschneiden von dem, was die Piraten euch vorgelebt haben?

Stefanie Voss [00:36:18]:
Also ich sage mal vorneweg, das Thema Gehaltstransparenz, das fasse ich nicht so sehr an, weil das natürlich ein sehr sehr spezielles Thema ist, aber es gibt ja Menschen wie das Fair Pay Innovation Lab und so weiter, die sich da sehr sehr intensiv mit auseinandersetzen, ist aber nicht so mein Thema. Mein großes Thema ist immer wieder das Konfliktthema. Also dieses Aushalten und Aussitzen von Konflikten, was ich in verschiedensten Organisationen erlebe. Und es ist völlig egal, ob es ein DAX-Konzern ist, eine Arztpraxis, eine Anwaltskanzlei, eine städtische Einrichtung. Ich bin immer wieder erschüttert, wie lange Organisationen bereit sind, Konflikte einfach mitzutragen und laufen zu lassen. Und das ist natürlich etwas, was ich in der Teamentwicklung sehr stark in den Fokus rücke. Und das andere Thema ist eben dieses den Status quo hinterfragen. Also immer wieder rein zu pieksen und zu gucken, Warum sind eure Prozesse so, wie sie sind? Warum sind eure Gedanken und Vorgehensweisen so, wie sie sind? Und habt ihr die in letzter Zeit mal kritisch hinterfragt und geguckt, wie könnte es anders aussehen oder gehen? Einfach, immer wieder im Kopf agil zu bleiben, neue Ideen zuzulassen, Kreativität zuzulassen.

Stefanie Voss [00:37:36]:
Das sind so die beiden Bereiche, auf die ich mich sehr stark fokussiere in Teams. Naja, und in der Führung, wie gesagt, diese Piratenfrage an Führungskräfte finde ich natürlich spannend. Also jemanden in seiner Führungsrolle so zu entwickeln, dass er einfach eine Art von Führung lebt, die letztlich dazu führt, dass er von seiner Mannschaft getragen wird oder sie von ihrer Mannschaft getragen wird. Das ist natürlich auch immer ein großes Ziel im Coaching.

Sebastian Morgner [00:38:06]:
Und gibt es jetzt irgendein spezielles Ritual oder eine bestimmte Vorgehensweise, wie Piraten mit latenten Konflikten umgegangen sind? Also wenn da unterschiedliche Meinungen geherrscht haben, was kann man da sozusagen, wenn man jetzt sagt, wir sind ein Wirtschaftsunternehmen, Projektteam, wir haben unterschiedliche Sichten auf bestimmte Dinge, gibt es da irgendwas, was man sozusagen von den Piraten da übernehmen kann?

Stefanie Voss [00:38:33]:
Also da waren die natürlich schon ziemlich krass unterwegs. Also wenn du zwei Widersacher hattest mit zwei sehr unterschiedlichen Meinungen, die sich aber einfach nicht einigen konnten und die immer wieder zu zweit sozusagen miteinander gestritten haben, Dann gab es die ganz klare Regel bei den Piraten, die ich keinem Unternehmen empfehlen würde. Die haben sich duelliert. Also an Land, wirklich so klassisch, Rücken an Rücken auseinandergegangen, umgedreht, abgeknallt. Idealerweise war einer tot, der andere nicht. Dann konntest du sofort weiterfahren und das Ding war geklärt. Ist jetzt überhaupt nicht übertragbar auf die heutige Zeit. Wenn sie Querulanten an Bord hatten, also einzelne Personen, die immer wieder quergeschossen haben, dann haben sie die nicht einfach über Bord geworfen und sozusagen ertrinken lassen, sondern da waren sie wirklich hart und brutal.

Stefanie Voss [00:39:20]:
Für solche Menschen gab es das sogenannte Marooning, so nannte man das. Und das heißt, du wurdest ausgesetzt auf einer einsamen Insel. Und dort bekamst du dann, wenn du ausgesetzt wurdest, noch eine Flasche Wasser und eine Pistole mit einem Schuss. Und das ist natürlich eine total eklige und brutale Art, jemanden auszusetzen, weil du kannst dir vorstellen, wie lange hältst du es mit einer Flasche Wasser aus? Das geht schon mehrere Tage. Wie lange bist du noch in der Lage, dir eine Kugel in den Kopf zu jagen. Also diese Menschen haben sich wirklich in den Tod gequält. Und das war tatsächlich aber natürlich auch die Intention, zu sagen, Freunde, hier querulant sein und immer wieder Streit anzetteln und immer wieder sich einfach nicht den Teaminteressen unterordnen, das geht gar nicht. Und deswegen gibt es darauf auch eine heftige Sanktion.

Stefanie Voss [00:40:10]:
Und ja, das ist im Unternehmen natürlich auch in der Form überhaupt nicht umsetzbar. Trotzdem finde ich immer wieder die Frage, die sich auch Führungskräfte stellen müssen, was mache ich mit den Leuten, die bei mir immer wieder querschießen? Und zwar nicht mit einem vielleicht disruptiven oder sehr kontroversen Vorschlag, sondern des Querschießens willen. Und ja, kann man verschiedene Strategien fahren. Für mich gibt es so die goldene Regel, da wo ich merke, dass Menschen dem Zynismus verfallen sind, habe ich persönlich, so hart das klingt immer, das Gefühl, die Leute sind ausgecoacht. Also von solchen Leuten muss man sich im Grunde genommen als Organisation trennen. Die muss man in irgendeiner Form rausziehen aus der Organisation. Und bei anderen ist natürlich immer noch mal die Frage, kann ich die in irgendeiner Form coachingtechnisch begleiten? Kann ich denen noch mal die Möglichkeit geben, charakterlich an sich zu arbeiten, verhaltenstechnisch an sich zu arbeiten? Aber da hat natürlich auch ein Unternehmen immer irgendwelche Grenzen. Und ein Kollege von mir sagte das letztens so treffend, also Verhalten kann man coachen und Charakter muss man rausschmeißen.

Stefanie Voss [00:41:12]:
Und das ist natürlich hart. Aber immerhin ist es kein Marooning.

Sebastian Morgner [00:41:17]:
Also… Was ich schon ganz spannend finde und wo ich sage, da kann man zumindest einen Transfer leisten mit dem Duellieren. Es ist wahrscheinlich für eine Organisation, die vorwärts kommen will, auf jeden Fall besser, Man hat eine klare Meinung, eine klare Richtung, in die man geht, als dass man Monate oder oft jahrelang hin- und hergerissen ist. Oft ja auch ganz latent zwischen zwei verschiedenen Richtungen oder Machtgefügen, wo dann der Konflikt nicht offen ausgetragen wird, wo man mal nach links und mal nach rechts geht, aber quasi nie richtig Fahrt aufnimmt. Und da zu sagen, lieber eine schnelle Entscheidung herbeiführen, gut, dann habe ich jetzt deine Logik ja so verstanden, dass der Anführer dann ja auch immer noch so agieren musste, dass die anderen mitgemacht haben. Genau. Er war ja total darauf angewiesen. Das heißt, er konnte ja auch keine völlig egoistische oder widersinnige Entscheidung treffen, weil dann wären ihm seine Leute abhanden gekommen.

Sebastian Morgner [00:42:17]:
Also von daher hat das als System dann wahrscheinlich ganz gut funktioniert.

Stefanie Voss [00:42:21]:
Ja, also das glaube ich auch. Du musst als Führungskraft eben schon natürlich deine Mannschaft weiterhin mitnehmen können. Also du kannst nicht irgendwelchen Irrsinn durchsetzen, nur weil du jetzt der Kapitän bist. Das funktioniert genau den einen Kampf lang, in dem du wirklich sozusagen das Sagen hast, aber danach dann schon nicht mehr. Denn diese Regel, dass der Kapitän das Sagen hat, die gab es bei den Piraten tatsächlich auch nur im Kampf. Also in der Kampfsituation, in der akuten Situation, wo schnelle Entscheidungen und klare Entscheidungen wichtig waren, Das war die Situation, in der sozusagen die Hierarchie, die klare Hierarchie auch wirklich galt. Die galt ansonsten nicht. Auch das finde ich eben ein sehr spannendes Prinzip, zu sagen, in der Flaute, im Hafen, in der Art und Weise, wie reparieren wir das Schiff, was machen wir, wurde immer sehr viel diskutiert, es wurde sehr viel basisdemokratisch entschieden und nur da, wo eine schnelle Entscheidung letztendlich überlebenswichtig ist und das ist ja im Zweifelsfall im Kampf, nur da leben wir diese klare Hierarchie auch so, wie sie ja mit dem Titel Kapitän im Grunde genommen anmutet? Also ja, ich glaube auch, dass wir daraus mitnehmen können, dass es wirklich wichtig ist, Konflikte auch auszutragen im konstruktiven Sinne und sie dann aber auch zu beenden.

Stefanie Voss [00:43:33]:
Und das, finde ich, ist etwas, was den Organisationen heute auch immer noch nicht gut gelingt. Wie oft ist es so, dass eine Entscheidung getroffen wird in einer Organisation und schon zwei Minuten, nachdem diese Entscheidung getroffen und kommuniziert wird, gibt es einen Teil der Organisation, die dann so hinter vorgehaltener Hand, naja, machen wir doch anders. Halten wir uns jetzt doch nicht dran.

Sebastian Morgner [00:43:54]:
Total spannend. Ich meine, das ist ja auch tatsächlich Teil der agilen Philosophie, dass man sagt, eben im Krisenmodus, da braucht man geringe Autonomie, hohes Alignment, da braucht man einen Kommandostand, der sagt, was getan wird, weil man gar keine Zeit zum Diskutieren hat. Aber im normalen Modus, sag ich mal, ist natürlich anzustreben, hohes Alignment bei hoher Autonomie. Und das ist ja dann auch was, was die Kollegen auf den Booten da schon vorgelebt haben.

Stefanie Voss [00:44:21]:
Auf jeden Fall.

Sebastian Morgner [00:44:22]:
Manchmal noch wie eine Piratin. Was ist die Sache, für die du so kämpfst, Stefanie?

Stefanie Voss [00:44:29]:
Also was…

Sebastian Morgner [00:44:30]:
Gegen welche Normen kämpfst du? Also was ist so bei dir das Disruptive?

Stefanie Voss [00:44:35]:
Also bei mir, ich weiß jetzt gar nicht, ob ich so wahnsinnig disruptiv bin. Ich habe mir zum Motto gemacht oder zur Idee gemacht, ich möchte tatsächlich die Menschen einladen, wagemutiger zu sein, und zwar nicht nur in den großen Dingen, also nicht jeder muss der nächste Steve Jobs, Elon Musk oder was auch immer werden, sondern im Kleinen wagemutiger zu werden, mir also mehr wirklich zu überlegen, was sind eigentlich meine Werte, was ist das, was mir wirklich, wirklich wichtig ist im Leben Und was heißt das übersetzt in mein konkretes Verhalten? Und an so vielen kleinen Stellen in unserem tagtäglichen Leben verletzen wir eigentlich unsere eigenen Werte und sind so konformitätsgetrieben. So, ja, das macht man ja nicht und das sagt man ja nicht und das darf man ja nicht. Und ich lade immer wieder ein, speziell wenn ich meinen Vortrag halte, aber eben auch in allen anderen Formen, in denen ich mit Menschen arbeite, zu sagen, Mensch Leute, wenn ihr wisst, was ihr für ein Wertegerüst habt, wenn euch euer Wertegerüst klar ist, dann sind das so wunderbare Leitplanken, an denen ihr euch orientieren könnt. Dann könnt ihr diese ganzen ungeschriebenen Regeln, mit denen im Kopf wir die ganze Zeit durchs Leben laufen, die könnt ihr mal beiseitelegen. Und wenn Verbundenheit mir wichtig ist, dann kann ich auch Menschen zustimmen, auch wenn ihre Meinung vielleicht gerade unpopulär ist und ich dadurch vielleicht auch noch Gegenwind bekomme. Oder wenn Leistung im Prinzip ist, was mich einfach antreibt, dann kann ich auch noch mal was extra machen, auch wenn es mir keiner bezahlt oder wenn es irgendwie keine Honorierung dafür gibt. Also einfach sich immer wieder klar zu machen, was ist das, was mir wirklich, wirklich wichtig ist und wie sieht das dazugehörige Verhalten aus, fernab von dem, was man mit einem N, was man denn so macht.

Stefanie Voss [00:46:11]:
Das ist so meine Idee, mit der ich in meine Vorträge gehe, in meine Arbeit gehe. Ich will nicht die Welt revolutionieren. Ich traue mir das ehrlich gesagt auch nicht zu, aber ich möchte das Verhalten der Menschen an einzelnen Stellen, das möchte ich wagemutiger machen und ich sage immer ne, wann sind sie das letzte Mal morgens aufgestanden und haben sich gesagt, so heute trainiere ich mal meinen Wagemut. Das macht praktisch niemand. Und die Leute, die es dann von mir gehört haben, die machen es dann manchmal und dann kriege ich Rückmeldung, was sie jetzt getan haben. Und dann macht mich das total glücklich, weil ich so merke, ich habe da ja so eine Inspiration, so einen Funken gesetzt und der hat tatsächlich irgendwie Feuer gefangen.

Sebastian Morgner [00:46:51]:
Also das heißt nicht wie die Piraten einen echten Kompass haben, sondern einen inneren Kompass, die Werte nutzen und auch mal selbstbewusst Nein sagen. Ist das das Hauptding, was du auch jungen Menschen am Anfang ihrer Karriere so raten würdest? Also wie können die ihren Wagemut testen und trotzdem, sag ich mal, sich beruflich auf einen guten Weg begeben?

Stefanie Voss [00:47:12]:
Ja, ja, sie können, also ich glaube, die Welt ist einfach so sehr im Umbruch, dass es jungen Menschen nicht hilfreich ist, sich an dem zu orientieren, was ihre Eltern oder ältere Generationen ihnen mitgeben. Nach dem Motto, du musst eine gute Ausbildung machen, du musst studieren, du musst das machen. Sondern dass es sich schon mehr lohnt, sich zu fragen, wer bin ich denn und was macht mich denn aus und was zeichnet mich denn aus. Und ich bin immer ein gutes Beispiel dafür. Ich habe keinen akademischen Abschluss, ich habe nicht studiert, ich habe in Anführungsstrichen nur eine Ausbildung gemacht. Und dann werde ich heute auch immer noch gefragt, was, Sie haben gar nicht studiert? Nein, ich habe nicht studiert. Aus mir ist trotzdem was geworden. Man muss gar nicht studieren, was zu werden.

Stefanie Voss [00:47:55]:
Oder als ich meine Segelreise machte, haben mir ganz viele Leute gesagt, du bist verrückt. Wie kannst du nur, ja, du steigst aus einem Großkonzern aus und dabei ist deine Karriere gerade in voller Fahrt. Du hast sie nicht mehr alle. Und ich habe es trotzdem gemacht mit dem Ergebnis, dass mich danach jeder im Konzern kannte. Das hatte ich so nicht geplant, aber das hat sich dann einfach ergeben. Also Die ungewöhnlichen Schritte, die ich gegangen bin, haben sich immer wieder als sehr, sehr fruchtbar erwiesen. Auch der Wechsel aus dem Konzern in die Selbstständigkeit. Ich habe eine Abteilungsleiterrolle aufgegeben.

Stefanie Voss [00:48:27]:
Ich hatte ein wunderbares Team. Ich war da grundsätzlich sehr glücklich. Aber ich wollte mehr Zeit für mich haben, ich wollte höhere Zeitsouveränität haben, ich habe mich selbstständig gemacht, weniger zu arbeiten. Haben mir wieder ganz viele Leute gesagt, wie kannst du nur, bist du verrückt, das geht nicht, das funktioniert nicht. Natürlich funktioniert das. Ich wollte das so und dann habe ich das für mich umgesetzt. Und ich glaube, dass ich mit meinem Lebenslauf ein Stück weit auch einfach dazu beitragen kann, zu zeigen, auch die ungewöhnlichen Schritte können am Ende ein gutes Ergebnis bringen, wenn dir klar ist, wofür du es machst. Und diese Streamlining-Karrieren, ja, also gutes Abitur und dann tolles Studium und gute Uni und Abschluss und Promotion und dann die große…

Stefanie Voss [00:49:07]:
Ich glaube, diese Zeiten sind vorbei. Die gibt es noch in einigen Berufsgruppen. Und natürlich kann ich nicht Arzt werden, ohne zu studieren oder Jurist werden, ohne zu studieren. Das geht natürlich nicht. Aber in ganz vielen anderen Berufen sind alle möglichen Wege denkbar. Und was mich halt auch freuen würde, wenn wir mehr Menschen mit sogenannten gebrochenen oder schrägen Lebensläufen, wenn wir die mehr auch in verantwortungsvolle Positionen holen würden, weil ich glaube einfach, dass diese Brüche charakterbildend sind. Und diese Charakterbildung ist genau das, was wir eben in der jetzigen Zeit brauchen, halt aus diesem Konformitätskarussell rauszukommen.

Sebastian Morgner [00:49:47]:
Und meinst du, aus Cäsar wäre er auch ein guter Piratenkapitän geworden, wenn er nicht freigekauft worden wäre?

Stefanie Voss [00:49:55]:
Ja, also Cäsar ist ja das schöne Beispiel für, da sind wir wieder beim Thema Ego. Der hatte ja ein großes Ego, man kann ja fast sagen, er war Narzisst. Zudem gibt es noch eine ganz besondere Geschichte. Cäsar ist eben entführt worden, ist dann freigekauft worden von seinem Vater und war also bitterlich enttäuscht. Und zwar nicht darüber, dass die Tatsache, dass er entführt wurde, sondern er fand den Lösegeldbetrag zu niedrig. Er fand, dass er viel mehr wert war, als das, was die Piraten für ihn gefordert haben. Das hat ihn also wirklich beleidigt. Und sofern die Überlieferung stimmt, als er später in eine Machtposition kam, hat er also diese Piratengruppe, die ihn damals entführt hatte, die hat er ausfindig gemacht und die hat er alle mit dem Tode bestrafen lassen, weil er sich einfach noch mal rächen wollte dafür, dass sie so einen lächerlichen Betrag für ihn, für diese wahnsinnige Persönlichkeit Cäsar gefordert haben.

Stefanie Voss [00:50:47]:
Also auch noch mal eine schöne Anekdote aus der Welt der Piraten, aus der frühen Zeit der Piraten. Ja, und der hatte, glaube ich, einfach auch schon ein bisschen sehr ausgeprägtes Ego.

Sebastian Morgner [00:51:00]:
Was hast du gesagt? Persönlichkeit kann man coachen, Charakter…

Stefanie Voss [00:51:06]:
Ja, es kommt nicht von mir der Satz, es kommt von jemand anders. Also Verhalten sollte man coachen und Charakterdefizite sollte man rausschmeißen. Und das ist natürlich ein harter Satz. Aber an verschiedenen Stellen, gebe ich ehrlich zu, habe ich den auch schon unterschreiben können.

Sebastian Morgner [00:51:21]:
Zum Beispiel bei Cäsar.

Stefanie Voss [00:51:23]:
Zum Beispiel bei Cäsar hätten wir ihn wahrscheinlich unterschrieben. Genau, wenn denn die Geschichte so stimmt, wie sie überliefert wurde.

Sebastian Morgner [00:51:29]:
Ja, Stefanie, vielen, vielen Dank für das spannende Gespräch. Also eine mutige Analogie Pirat zu nutzen, frischen Wind ins Wirtschaftsleben zu bringen, aber ich fand es super spannend zu sehen, dass es da tatsächlich ganz viele Anknüpfungspunkte gibt und ja, was zählt ist die Haltung und von der kann man viel lernen.

Stefanie Voss [00:51:52]:
Genau, ja, danke schön, dass ich hier sein durfte und ich freue mich, wenn Menschen sich für Piraten begeistern, sich in dieses Thema einfuchsen. Es gibt so viel tolles Material, es gibt so viel zu entdecken. Ich bin jetzt seit ein paar Jahren an dem Thema dran und ich habe noch lange nicht genug und lerne immer wieder neue Sachen dazu und das ist natürlich auch einfach ein großes Geschenk, dass es da so eine historische Vielfalt gibt, aus der wir heute noch ganz viel ziehen können.

Sebastian Morgner [00:52:15]:
Ich werde nächstes Jahr jetzt auch mit Piratenflagge über den Ammersee segeln. Ja, tschüss Stefanie.

Stefanie Voss mit Stift

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