Erst Zähneknirschen. Dann ein gequältes Lächeln. Und dann ein „Ja, also, naja … okay, dann gib‘ mal her …“
Kurz danach sitze ich da und ärgere mich. Über meinen Kollegen, der mich gerade um einen (vermeintlich kleinen) Gefallen gebeten hat. Und noch mehr über mich selbst.
Extra Arbeit, noch weniger Zeit. Und das nur, weil ich (mal wieder!) zu blöd war! Weil ich nicht konsequent Nein sagen konnte.
Solche Szenen gab es oft in meinem Leben. Aber dann habe ich damit Schluss gemacht.
Heute weiß ich: Nein sagen können ist eine Superpower!
Du kennst das garantiert auch: Es gibt sicher auch bei Dir zig Beispiele für ein Ja, was eigentlich kein echtes Ja ist.
Viel lieber hättest Du NEIN gesagt, aber irgendwie … kannst Du das nicht. Und so bringt Dein unehrliches Ja Dir nichts als Ärger und Frust.
Doch das muss nicht sein: Nein sagen lässt sich lernen. Ich bin der lebende Beweis!
Ich habe mich von diesem unechten Ja verabschiedet. An ganz vielen Stellen in meinem Leben ist das beherzte NEIN sagen mein allerbester Begleiter geworden.
Warum NEIN sagen eine wichtige Kompetenz ist und wie Du das auch lernst, erfährst Du jetzt.
Inhaltsverzeichnis
Liste mit fertigen Beispiel-Sätzen:
15 klare Formulierungen für das passende NEIN in jeder Situation (kostenlose PDF)
Warum NEIN sagen wichtig ist
Wir sagen oft Ja, ohne es wirklich zu meinen. Es ist nicht echt und eher ein „Ja, na gut“ oder „Ja, irgendwie mache ich das auch noch.“
Das passiert in vielen Situationen, zum Beispiel wenn der Kollege, die Chefin, die Familie oder eine Freundin uns um Hilfe oder einen Gefallen bitten.
Eigentlich passt es gerade nicht, aber sofort kommt das schlechte Gewissen um die Ecke: „Ich kann doch nicht einfach Nein sagen?!?“
Warum antworten wir oft mit Ja, obwohl unser Bauchgefühl NEIN sagt?
Wir wollen Menschen nicht vor den Kopf stoßen.
Es ist kulturell nicht in uns verankert, direkt und deutlich Nein zu sagen. Menschen sind soziale Wesen.
Wir wollen harmonisch kommunizieren, und ein klares NEIN stört da eher. Es ist ablehnend, es fördert nicht die Verbundenheit untereinander.
Frauen neigen übrigens noch mehr dazu als Männer, zu oft Ja zu sagen, wenn sie eigentlich Nein sagen wollen. Der Grund ist ganz einfach: Schon als kleine Mädchen werden sie soziokulturell viel stärker auf „freundlich und angepasst sein“ getrimmt.
Weil diese Sozialisierung tief verankert ist, landen Frauen, die sich konsequent abgrenzen und ihre Prioritäten sehr klar verfolgen, schnell in der unbeliebten Schublade „egoistische Zicke“.
Bei Männern ist das souveräne Priorisieren eher ein Zeichen von Führungsqualität, bei Frauen wird es leider nicht so positiv bewertet.
Das NEIN sagen hat also unmittelbare Konsequenzen:
- Unverständnis beim Gegenüber,
- einen möglichen Konflikt,
- ein schlechtes Bild von uns (egoistisch, weil nicht hilfsbereit, besonders als Frau).
Wir vergessen aber das wichtigste: Auch ein Ja hat Konsequenzen.
Nur, dass wir sie dann selbst ausbaden. Denn wenn wir Ja sagen, ohne es wirklich zu meinen, dann dauert es nicht lange, bis wir das bereuen.
Wir haben dann etwas zugesagt, hinter dem wir nicht wirklich stehen. Wir investieren Zeit / Energie / Geld, die dann für andere Prioritäten nicht verfügbar sind.
Die Konsequenzen, die wir uns selbst einbrocken, sind meist mehr Ärger und Stress. Wir beißen die Zähne zusammen, erledigen mit Widerwillen das, was wir (ungewollt) zugesagt haben, und natürlich sind wir auch noch mega sauer auf uns selbst, dass wir nicht klar geäußert haben, wie wir wirklich denken.
Eine rundherum ätzende Situation!
Das passiert immer dann, wenn unser Ja kein beherztes, ehrliches Ja ist.
Du vermeidest mit einem unehrlichen Ja also einen Konflikt mit Deinen Mitmenschen. Aber Du gehst dafür einen Konflikt mit Dir selbst ein.
Ein klar ausgesprochenes NEIN ist ein Ja zu Dir selbst
Ich behaupte: Beherzt NEIN sagen zu können, ist eine wichtige Kompetenz für jeden Menschen. In jeder Lebensphase, in jedem Job, in jedem sozialen Kontext.
Genau deswegen ist das klare NEIN sagen eines der Top-Themen in allen meinen Seminaren, in meinen Karriere-Coachings und in meinen Leadership-Development-Programmen.
Menschen, die immer nur dann Ja sagen und dann Nein sagen, wenn sie es ehrlich meinen, haben ihre Prioritäten im Griff.
Wenn sie die eigenen Grenzen durch ein NEIN wahren, sind sie keine Egoisten. Sie haben nur ein klares Verständnis von souveräner Selbstführung.
Sie schützen ihre eigenen Ressourcen und holen sich durch ein NEIN die Freiheit, diese genauso einzuteilen, wie es sich für sie richtig anfühlt.
NEIN sagen ist gelebte Wertschätzung.
Ein NEIN bringt Dir vielleicht auch mal Missmut von Deinem Gegenüber.
Aber neben Deiner Zeit und Energie, die Du dadurch wertschätzt, bekommst Du auf Dauer auch Respekt und Anerkennung.
Denn Du triffst klare Entscheidungen und gehst Deinen eigenen Weg. Wollen wir das nicht alle?
5 effektive Tipps, um NEIN sagen zu lernen
Du bekommst meine erprobten Tipps, wie auch Du zu einem geübten NEIN-Sager wirst.
Tipp 1: Analysiere die Ursache
Weil es so wichtig ist: Schau Dir bewusst die Gefühle an, die dafür sorgen, dass Dir das NEIN sagen schwer fällt.
Es gibt viele Gedanken, die Dir im Moment der Ja-Nein-Entscheidung durch den Kopf gehen können. Meistens hängen sie mit einem dieser Punkte zusammen:
- Du willst gemocht werden.
- Du magst die andere Person jetzt gerde nicht vor den Kopf stoßen.
- Du willst Konflikte vermeiden.
- Du hast keine Lust, Dich zu rechtfertigen.
- Du bist zu müde oder zu genervt, um zu argumentieren.
- Du willst Deinen Gegenüber loswerden.
Dann veranschauliche Dir, was ein unehrliches Ja bedeutet:
Du kannst Dich – spätestens nach einigen Minuten – dafür selbst nicht ausstehen. Du stößt Dich selbst vor den Kopf, weil Du genau weißt, dass Du nicht geradlinig gehandelt hast.
Eine Person enttäuschst Du also immer. Du entscheidest, welche das ist.
Ein klares NEIN hat nichts mit Egoismus zu tun – höchstens mit gesundem. Bedenke auch: Ein Dauer-Ja-Sager landet schnell in der Beliebigkeits- oder sogar „fleißiges-Bienchen-Schublade“.
Was fühlt sich auf Dauer besser an?
Und dann gibt es noch eine Ursache, die häufig übersehen wird:
Du gestehst es anderen Menschen auch nicht zu, mal Nein zu sagen.
Gerade dieser Punkt ist kniffelig. Wie ist das denn, wenn Du um einen Gefallen bittest?
Bist Du tolerant und nicht verärgert, wenn Du ein Nein hörst? Kannst Du mit dem Nein sagen gut umgehen, wenn Du der Empfänger der Botschaft bist?
Wenn Du gut darin werden möchtest, konsequent NEIN zu sagen, dann solltest Du ebenso trainieren, mit dem Nein sagen anderer Menschen konstruktiv umzugehen.
Tipp 2: Nimm Dir für Deine Antwort Zeit
Meistens sagst Du schnell Ja, wenn Du überrumpelt wirst. Gewöhne Dir deshalb an, eine Bedenkzeit zu nehmen. Auch wenn es nur 5 Minuten sind.
Lege Dir einen Standard-Satz zurecht, mit dem Du Dir eine kurze Bedenkzeit verschaffst. Diesen kurzen Moment nutzt Du dann, um zu überlegen, ob sich ein Ja oder ein NEIN richtig anfühlt.
Ich sage zum Beispiel gerne: „Ich möchte mir das kurz überlegen, um keine voreilige Entscheidung zu treffen, die ich dann nicht gut umsetzen kann. Ich gebe Dir nachher / heute Abend / morgen eine verbindliche Antwort.“
So ein Standard-Satz holt Dich aus der bedrängt-werden-Falle raus. Er verschafft Dir Zeit, um Deine Gedanken zu sortieren. Und vielleicht willst Du auch nochmal in Deinen Kalender oder auf Deine To-Do-Liste schauen.
Sobald Du diese Klarheit hast, antwortest Du. Aber WIRKLICH erst dann.
Denn: Gut überlegte Antworten sind die besten.
Am Anfang wird Dir das schwer fallen und bei Deinem Gegenüber vielleicht Stirnrunzeln verursachen. „Wieso jetzt das? Keine direkte Antwort?“ wird Dein Umfeld sicherlich denken. Aber das ist okay.
Je eher Du Dich darin übst, Entscheidungen überlegt zu treffen und Deine Mitmenschen an diese Bedenkzeit gewöhnst, desto besser.
Tipp 3: Zeige beim NEIN sagen eine klare Haltung in Worten und Taten
Deine Taten sind das, was Du kommunizierst. Nicht nur das, was Du sagst. Wenn Du also zuerst NEIN sagst und dann doch grummelnd die Überarbeitung der Präsentation für Deinen Kollegen übernimmst, ist das kontraproduktiv.
Deshalb: Wenn Du einmal NEIN sagst, bleib dabei!
Halte es aus, wenn Dein Gegenüber auch mal enttäuscht ist. Du kannst Verständnis dafür zeigen, ohne Dich zu entschuldigen oder in Deiner Position wackelig zu werden. Bleibe Dir treu und stehe zu Deinem NEIN.
Hilfreich ist es für Dich und Deine Mitmenschen, wenn Deine Worte zu Deinen Taten passen. Und Du bereits verbal eine klare Haltung beziehst.
Das hilft Dir dabei:
- Vermeide Füllwörter und komplizierte Sätze. Das macht Deine Kommunikation weniger glaubhaft und unpräzise.
- Nutze stattdessen klare und kurze Sätze. So kommt eher an, was Du sagen willst.
- Der Konjunktiv und Worte wie eigentlich, vielleicht und irgendwie verwässern Deine Aussage. Lass sie deshalb weg.
- Lege Dir für typische Situationen Standardsätze zurecht und übe sie vor dem Spiegel. So hast Du sie leichter parat, wenn Dein nächstes klares NEIN gefragt ist. (Vor dem Spiegel wurde ich übrigens auch zur bekennenden und souveränen Nein-Sagerin.)
Tipp 4: Nutze ein wertschätzendes NEIN
NEIN sagen heißt nicht, grob und rücksichtslos zu sein.
Es gibt Wege, Dein NEIN klar und wertschätzend zu verpacken. Das macht es Dir gerade am Anfang leichter, NEIN zu sagen und hinterlässt bei Deinen Mitmenschen keinen faden Beigeschmack.
Tipps für ein klares, wertschätzendes NEIN:
- Höflichkeit
Wenn es passt, danke der Person, dass sie an Dich gedacht und Dich gefragt hat. Ich sage zum Beispiel häufig: „Ich freue mich, dass Du an mich gedacht hast – und nein, ich kann jetzt nicht. Aber Du kannst mich jederzeit gerne wieder fragen.“
- Ehrlichkeit
Sei bei dem, was Du sagst, immer ehrlich. Wenn das nicht möglich ist, dann sag lieber nichts, anstatt Dich zu verstricken. Belass es bei einem kurzen, freundlichen NEIN. Denn: Notlügen haben kurze Beine. Das hat schon meine Oma gesagt, und es stimmt bis heute.
- Begründung nennen
Manche Menschen nehmen ein NEIN eher an, wenn sie den Kontext kennen. Also wenn Du erklärst, was Dich zu Deinem NEIN veranlasst. Aber Achtung: So manche Begründung endet in einem wenig wertschätzenden Hin und Her und nimmt schnell einen Rechtsfertigungscharakter an. - Keine Rechtfertigung
Es gibt auch Menschen, die ein NEIN selbst mit einem guten Argument nicht akzeptieren und nach Schlupflöchern suchen. Das ist schnell anstrengend. Denke daran, dass Du keine Begründung liefern MUSST. Du darfst in Deinem Leben freie Entscheidungen treffen. Reine Rechtfertigungen sind also unnötig – und überflüssig. An so einer Stelle ist ein klares und nicht begründetes NEIN besser.
- Alternativen anbieten
Du sagst zur Erstellung der kompletten Präsentation Deines Kollegen NEIN. Aber Du bietest ihm an, am Ende 10 Minuten die Folien durchzuschauen. Für ein persönliches Mittagessen mit einer Kollegin hast Du aktuell keine Zeit. Stattdessen schlägst Du ihr ein kurzes Telefonat vor.
Auch hier ist es wichtig, klar zu handeln. Wenn Du generell kein Interesse oder keine Zeit hast, dann ist das okay. Ein direktes und klares NEIN ist an dieser Stelle der beste Weg.
Tipp 5: Das NEIN sagen musst Du üben, üben und üben
Wie bei allem Neuen lernst Du es nur, wenn Du es übst. Am besten täglich.
Fang noch heute an und schreib Dir ein paar Formulierungen für Dein nächstes NEIN auf, die Du ab jetzt regelmäßig vor dem Spiegel übst. – Und dann auch in realen Situationen.
Das mag sich am Anfang komisch anfühlen. Beim 1. Mal, beim 5. Mal auch, aber nicht mehr beim 24. Mal.
Umsetzen, üben und konsequent dranbleiben.
Nur so entwickelst Du Dich weiter und lernst, klar und wertschätzend NEIN zu sagen.
Glaube mir: Es hat nichts mit Talent zu tun. NEIN sagen können ist eine Fähigkeit, die jeder Mensch lernen kann. Auch Du.
Du bist eher harmoniebedürftig und sehr hilfsbereit?
Super, dann wird Dein klares NEIN Dir ermöglichen, noch klarer und konsequenter Prioritäten zu setzen.
Du wirst noch mehr die Menschen in Deinem Umfeld genau da unterstützen, wo es wirklich wichtig ist und wo Du dafür wertgeschätzt wirst.
Je früher Du es übst und das klare, wertschätzende NEIN für Dich lernst, desto besser!
Fazit: NEIN sagen ist eine Kernkompetenz erfolgreicher Menschen
Wenn Du bis hierhin gelesen hast, bin ich mir sicher: Du hast verstanden, wie wertvoll ein klares NEIN ist. Und dass es dabei nicht um Egoismus geht und genauso wenig bedeutet, rücksichtslos zu sein.
Ein klares, ehrliches NEIN zeigt, dass Du auf Dich achtest und Deine Ressourcen wertschätzt. Und das ist absolut erstrebenswert.
Erfolgreiche Menschen sind deshalb erfolgreich, weil sie ihre Energie sehr gezielt einsetzen. Dazu gehören klare Prioritäten, denn Zeit ist immer begrenzt.
Willst Du es immer jedem recht machen, und dabei selbst auf der Strecke bleiben? Vermutlich nicht.
Du hast Ziele, Wünsche, willst Dich entwickeln und ein gelungenes Leben leben. Gut so! Dann lerne besser heute als morgen, wie das mit dem Nein sagen genau geht.
Ich wünsche Dir, dass ein beherztes, klares NEIN Dein treuer Begleiter wird.
Wenn Du Dir das auch wünschst, dann lege jetzt los!