Du hast vom Reverse Mentoring gehört und suchst jetzt einen umfassenden Leitfaden zu diesem Thema? Voilá! Hier habe ich alles das, was mich an dem Konzept fasziniert, übersichtlich zusammengestellt.
Für mich ist das Reverse Mentoring ein kluges und wirkungsvolles Konzept der Wissensvermittlung, Personalentwicklung und auch Persönlichkeitsentwicklung.
Du kennst den Begriff noch nicht so genau? OK, dann erst mal eine Definition:
„Beim Reverse Mentoring wird eine erfahrene Persönlichkeit zum Coachee – und eine nicht so erfahrene, oft jüngere Persönlichkeit ist der Coach. Es stellt also traditionelle Mentoring-Modelle auf den Kopf.“
Hört sich das seltsam an? Ja, vielleicht, aber die Vorteile liegen einfach auf der Hand: Reverse Mentoring bringt Menschen aus ganz unterschiedlichen „Bubbles“ in direkten, intensiven Kontakt. Es fördert den Austausch zwischen Generationen, vernetzt unterschiedlichste Persönlichkeiten miteinander und unterstützt (bei Coachee UND Coach) das agile, flexible Denken und Handeln. Und das alles zu sehr überschaubaren Kosten.
Du willst dieses Konzept für Deine Organisation umsetzen? Oder du möchtest in einer Branche oder einer firmenübergreifenden Community Reverse Mentoring etablieren?
Mit dieser Anleitung zum Reverse Mentoring kannst du loslegen.
Und falls ich nach dem Lesen nicht alle deine Fragen beantwortet habe, dann schreib mir gerne – und ich ergänze diesen Artikel gerne noch um weitere Details und Aspekte.
Inhaltsverzeichnis
Reverse Mentoring – was steckt dahinter?
Die Basis der Idee ist das ganz normale Mentoring (hier die Wikipedia-Definition dazu), bei dem Wissen und Erfahrungen von Mensch zu Mensch direkt weitergegeben werden, in der Regel in einer 1-zu-1-Beziehung.
Das „normale“ Mentoring gibt es im HR-Baukasten vermutlich schon immer, das Reverse Mentoring ist hingegen ein recht neues Instrument der Personalentwicklung.
Die Idee ist, dass jüngere Menschen (die man auch gerne als „Digital Natives“ bezeichnet) als Mentorinnen oder Mentoren für ältere, erfahrenere Menschen fungieren. Dabei geben sie ihr Wissen über neue Technologien, aktuelle Trends in ihrer Generation und moderne, oft sehr digitale Arbeitsmethoden weiter. Gleichzeitig profitieren die jungen Mentorinnen und Mentoren von der Erfahrung und dem tiefen Branchenwissen ihrer älteren Mentees.
Bezgl. der Ursprünge sagen etliche Quellen im Netz, dass Reverse Mentoring Ende der 1990er Jahre von Jack Welch, dem damaligen CEO von General Electric, eingeführt und weltweit bekannt gemacht wurde. In der traditionsreichen, riesigen Organisation war die Idee, dass ältere Führungskräfte von den jüngeren Mitarbeitenden lernen, um den Anschluss an technologische Entwicklungen nicht zu verlieren.
Für mich passt das ins Bild, denn Jack Welch galt als sehr erfolgreicher Manager, der immer wieder den Status quo hinterfragte und gern radikal neue Ideen testete. Hier findest Du mehr zu seinem Leben, und hier seine Biografie.
Eine immer älter werdenden Gesellschaft muss sich in einer Arbeitswelt bewegen, die sich immer stärker digitalisiert und in den meisten Branchen völlig globalisiert aufgestellt ist – genau hier gewinnt Reverse Mentoring zunehmend an Bedeutung. Unternehmen (und insbesondere die HR-Entscheiderinnen und Entscheider) wissen, dass der intensive Austausch unterschiedlichster Menschen in der Organisation maßgeblich zur Innovation und Wettbewerbsfähigkeit beiträgt.
Heute gibt es in sehr vielen Organisationen Reverse Mentoring Programme. Immer wieder liest man von Microsoft und ihren Erfolgen mit diesem Ansatz, aber auch Firmen wie die Allianz, Bosch, AXA, die Deutsche Telekom oder die Lufthansa werden im Zusammenhang mit Reverse Mentoring erwähnt.
Die vielen Vorteile des Reverse Mentoring
Reverse Mentoring lohnt sich – das steht fest. Sonst würden nicht so viele Organisationen auf dieses Konzept setzen. Fangen wir also mit den Vorteilen an.
Bei jeder Art von intensivem Austausch zwischen unterschiedlichsten Gruppen innerhalb einer Firma profitiert zunächst mal das gesamte Unternehmen.
Der bessere Wissens- und Erfahrungsaustausch stärkt die Zusammenarbeit. Vertrauen wird aufgebaut, diverse Perspektiven werden diskutiert und verglichen, und so wird die Flexibilität im Denken und Handeln gefördert. Das sind – in einer unkalkulierbaren VUCA-Welt – genau die Dinge, die sich Managerinnen und Manager für ihre Mannschaft wünschen.
Neben diesen „allgemeinen“ Vorteilen gibt es aber noch spezifische Vorteile für die einzelnen Beteiligten am Prozess.
Die Vorteile der (meist älteren) Mentees:
- Sie bekommen in einem vertrauensvollen Rahmen die Möglichkeit, alle ihre Fragen zu stellen, ohne Gefahr zu laufen, bloßgestellt zu werden. Unsere eigenen Wissenslücken sind uns oft peinlich, also verkneifen wir uns viele Fragen, die uns eigentlich weiterbringen würden.
- Die Nutzung von diversen Apps, immer wieder neue Programme, die Shortcuts am Rechner, die pfiffige Suche mit dem Handy oder auch das schlaue Prompting eines KI-Tools: Heute gehören digitale Skills zu unserem Arbeitsalltag – und das stellt gerade ältere Führungskräfte manchmal vor Probleme. Mit Reverse Mentoring haben sie auch hier einen geschützten Raum, um zu lernen und auszuprobieren, was sie sich aneignen wollen.
- Sie bekommen Zugang zu einer „Bubble“, die weit entfernt ist von ihrer eigenen. Das verschafft ihnen wertvolle Anregungen und frische Ideen, komplett außerhalb ihres normalen „Dunstkreises“. Egal, ob es um Influencer, sprachliche Besonderheiten, Sichtweisen, Haltungen oder Produkt-Hypes geht, durch einen Mentee bekommen sie einen ganz anderen Blick auf ihr Umfeld.
Die Vorteile der (meist jüngeren) Mentoren:
- Das Konzept verlangt von dem Mentor oder von der Mentorin stark ausgeprägte Soft Skills, es stärkt besonders die kommunikativen Fähigkeiten rund um aktives Zuhören, Fragetechniken, kreative Lösungsfindung und Feedback.
- Die Menschen in der Mentorenrolle erhalten meist große Wertschätzung von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen (die ggf. in höheren Positionen sind). Das stärkt das eigene Selbstbewusstsein und erhöht die eigene Sichtbarkeit.
- Mentoren und Mentorinnen – gerade wenn sie noch recht neu in der Organisation sind – bauen durch ihre Rolle im reverse Mentoring ihr Netzwerk im Unternehmen auf.
- Sie lernen von den Mentees viel über Dinge wie den „Flurfunk“, über typische „Fettnäpfchen“ und all das, was man allgemein „Firmenpolitik“ nennt, was aber oft nicht einfach greifbar ist.
- Wenn ihr Mentee eine Führungsrolle einnimmt, haben Sie die Möglichkeit, die Aufgaben und Herausforderungen einer solchen Leadership-Position aus nächster Nähe kennenzulernen und auf Augenhöhe über die verschiedenen Fragestellungen mitzudiskutieren.
- In der Mentorenrolle kommt ein jüngerer Mensch früh mit den strategischen Themen und Fragen in gehobenen Positionen in Kontakt, die fast immer komplexe Dilemmata beinhalten. So wird die Analyse- und Entscheidungskompetenz gestärkt.
Welche Vorteile hat Reverse Mentoring für die Organisation insgesamt?
- Wenn eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit in allen Bereichen spürbar ist, bleiben die Menschen gerne im Unternehmen – es entsteht Bindung.
- Das vernetzte Denken und der Erfahrungs- und Wissensaustausch profitiert vom Reverse Mentoring.
- Das, was wir gerne „Unternehmenskultur“ nennen, wird gestärkt. Vertrauen, Verständnis, Dialogfähigkeit und generell Freude bei der Arbeit können wachsen.
- Durch viele und vertrauliche Dialoge wird die Konfliktlösungs- und Lösungsfindungskompetenz in allen Bereichen gestärkt.
- Ein funktionierendes Reverse Mentoring Programm löst zwar keine Hierarchien auf, aber der Kontakt zwischen den verschiedenen Ebenen wird deutlich intensiver. Somit wird das typische Hierarchiedenken immer weniger.
- Wenn ein Reverse Mentoring die Menschen aus unterschiedlichen Bereichen / Business Units / Funktionen zusammenbringt, wird auch das Silodenken weniger.
- Wenn viele Mitarbeitende, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft, gleichermaßen in den Wissens- und Erfahrungstransfer eingebunden werden, hat das einen sehr positiven Einfluss auf die Inklusion.
- Die vielen, typischen Vorurteile zwischen Generationen, Geschlechtern, Berufsgruppen etc. können aufgelöst werden, wenn es mehr direkte Kontakte und vertrauensvolle Zusammenarbeit gibt.
- Last but not least ist das Reverse Mentoring im Vergleich zu anderen Methoden wie Seminaren, Training und individuellem Business Coaching sehr kostengünstig, da in der Regel keine externen Berater / Coaches / Seminarleiterinnen / Workshopexperten etc. hinzugezogen werden müssen.
Hat Reverse Mentoring auch Nachteile?
Richtige Nachteile gibt es nicht. Aber es kann immer vorkommen, dass ein Reverse Mentoring nicht funktioniert. Das liegt meistens an einem der folgenden Punkte:
- Wenn die persönliche Chemie zwischen den beiden Partnern nicht passt und einfach kein vertrauensvolles Gespräch möglich ist.
- Wenn es von einer oder beiden Seiten kein echtes, zeitliches Commitment zeigt. Das ist – leider! – ganz oft ein Problem.
- Wenn die gegenseitigen Erwartungen von Mentor und Mentee nicht vorher eindeutig geklärt und abgeglichen werden. Das sollte immer in einer gut strukturierten Vorbereitungsphase passieren.
- Wenn Missverständnisse auftreten, weil ganz unterschiedliche Kommunikationsstile und Haltungen aufeinandertreffen. Eine offene und wertschätzende Auseinandersetzung ist entscheidend, um diese zu vermeiden.
- Wenn es ein deutliches Ungleichgewicht in der Beziehung gibt, kann es passieren, dass sich der jüngere Mentor unsicher fühlt, und / oder der ältere Mentee keine Begegnung auf Augenhöhe zulässt.
- Wenn es von Beginn an Widerstände zu dem Konzept gibt, weil zum Beispiel älteren Mitarbeitende sich in der Mentee-Rolle unwohl oder sogar herabgesetzt fühlen. Deswegen ist es so wichtig, klar die Vorteile des Programms zu kommunizieren und auch darauf hinzuweisen, dass der Rollentausch sich oftmals zunächst sehr „schräg“ – oder mindestens mal ungewohnt – anfühlen wird.
Damit diese Nachteile nicht eintreten, lohnt es sich, ausreichend Zeit für den Prozess der Vorbereitung einzuplanen. Hier ist besonders der HR-Bereich gefragt, der in der Regel das Reverse Mentoring Konzept verantwortet und begleitet.
Umsetzung: Mit 3 Schritten gelingt die Einführung von Reverse Mentoring
Manchmal passiert ein Reverse Mentoring „einfach so“ auf individueller Initiative. So kann sich zum Beispiel eine erfahrene Führungskraft selbst nach einem jungen Mentor oder einer jungen Mentorin umsehen. Das ist jedoch eher die Ausnahme, in den meisten Fällen gibt es eine organisationsweite Entscheidung seitens HR, dass diese Konzept genutzt werden soll. Dann ist es auch diePersonalabteilung, die sich um die Vorbereitung und Einführung des Reverse Mentoring kümmert.
Die 3 Schritte, die ein erfolgreiches Reverse Mentoring braucht, sind 1.) Planung und Einführung, 2.) Umsetzung und Begleitung und 3.) Evaluation und kontinuierliche Verbesserung.
1. Schritt: Planung und Einführung
Wer soll den Hut aufhaben? Das ist die erste Frage, die geklärt werden muss. Meistens ist das HR, aber es gibt auch Unternehmen, in denen die Diversity- & Inclusion-Verantwortlichen das Programm einführen.
In der Planungsphase für das Reverse Mentoring müssen – wie bei jedem anderen Tool der Personalentwicklung auch – klare Ziele definiert und die Rahmenbedingungen festgezogen werden. Warum wollen wir das überhaupt?
Alle Beteiligten sollten Sinn und Zweck des Programms klar verstehen: Sollen digitale Kompetenzen gefördert, kulturelle Barrieren abgebaut oder die Diversität gestärkt werden? Was ist einem Unternehmen wichtig, was nicht? Wie viele Bereiche sollen mitmachen, sollen direkt alle einbezogen werden, gibt es eine Pilotphase? Wie viele Menschen sollen in das Programm aufgenommen werden, die gut und sinnvoll betreut werden können? Welche Zeiträume und Intervalle sind angedacht?
Erst wenn diese Fragen geklärt sind, geht es um die Auswahl von geeigneten Mentoren und Mentees, die gut zusammenpassen und bereit sind, sich auf das Programm einzulassen. Die Unterstützung durch das obere Management ist ebenfalls entscheidend, um die Akzeptanz und den Erfolg des Programms zu gewährleisten. Idealerweise sind direkt in einer Pilotphase auch Menschen aus den Top-Führungsetagen als Mentees mit dabei.
Checkliste für die Phase 1: Planung & Einführung
- Verantwortung festlegen: Wer hat den Hut auf? Welche Person ist der Kopf? Welches Team / welche Ressourcen stehen dahinter?
- Ziele definieren: Welche spezifischen Ziele soll das Reverse Mentoring erreichen?
- Pilot ja oder nein: Braucht es eine Testphase, oder wird direkt umgesetzt?
- Zeitliche Struktur planen: Welche Mentoring-Frequenz ist angedacht, also wie oft, wie lang, über welchen Zeitraum?
- Kontext planen: Wird Bereichsintern oder Bereichsübergreifend vernetzt? Welche Unterstützung / Anleitung / Begleitung soll es geben?
- Management einbinden: Wie kann das obere Management das Programm unterstützen? Idealerweise gibt es einen „Executive Sponsor“ im Vorstand / in der Geschäftsführung, der das Programm unterstützt (und selbst mitmacht!) und so dafür sorgt, es prominent ins gesamte Unternehmen zu tragen.
- Ressourcen planen: Welche Ressourcen (Zeit, Budget, Materialien) werden benötigt?
- Kommunikationsstrategie entwickeln: Wie wird das Programm intern kommuniziert? Welche Kommunikationskanäle eignen sich wofür (allgemeine Infos, Rückfragen, Anmeldung)? Braucht es richtiges „Marketing“? Oder reicht eine Informationskaskade durch die Führungsebenen?
- Teilnehmer auswählen: Welche Mitarbeitenden eignen sich als Mentoren und Mentees? Wird die Anmeldung freiwillig sein (das ist meistens so). Für die Anmeldung sollte es einen Leitfaden geben, der abfragt, wo die persönlichen Interessen liegen und welche Themen die Teilnehmenden vermitteln oder lernen möchten.
- Matching: Auf Basis der Angaben aus der Anmeldung kommt jetzt die spannendste Aufgabe: Wer passt zu wem? Dieser Prozess kann geplant / strukturiert angegangen werden, aber auch eine zufällige Zuteilung hat durchaus ihren Charme.
2. Schritt: Umsetzung und Begleitung
In der Umsetzungsphase beginnt das eigentliche Mentoring. Wenn die Planung ordentlich und mit klaren Entscheidungen verlaufen ist, wird die Umsetzung einfach: Jetzt werden die Teilnehmenden entsprechend vorbereitet und dann beginnen die regelmäßigen Treffen zwischen Mentoren und Mentees.
Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass beide Parteien klare Erwartungen formulieren, sich ehrlich austauschen und offen für Feedback sind.
Zudem sollten Mentoren und Mentees motiviert werden, nach den ersten Treffen ihre Erfahrungen und Erkenntnisse innerhalb des Unternehmens zu teilen, um das Gelernte breiter zu streuen und ggf. auch die Akzeptanz für das neue Konzept zu erhöhen.
Die Rolle des HR-Teams (oder wer auch immer den Hut auf hat) besteht darin, den Prozess zu begleiten und bei Bedarf Unterstützung zu bieten. Gerade zu Beginn lohnt es sich, intensiv im Austausch mit Mentoren und Mentees zu stehen, um mögliche Probleme (siehe oben unter „Hat Reverse Mentoring auch Nachteile?) sofort zu erkennen und zu lösen.
Checkliste für die Phase 2: Umsetzung und Begleitung
- Start begleiten: Gibt es eine Vorbereitungsveranstaltung? Falls ja, sollte diese gut konzipiert sein und idealerweise ein positives „Momentum“ erzeugen, was Lust auf die neue Form des Austausches macht.
- Verantwortungen klären: Wer übernimmt welche Rolle im Terminkoordinierungsprozess zwischen Mentor und Mentee?
- Treffen organisieren: Werden regelmäßige Mentoring-Treffen von Beginn an geplant oder eher „spontan on the fly“?
- Erwartungen klären: Sind die Erwartungen von Mentoren und Mentees bei jedem Treffen klar definiert?
- Offenes Feedback: Wird regelmäßiges Feedback zwischen den Teilnehmenden ausgetauscht? Wissen Mentor und Mentee, wie die jeweils andere Person das Reverse Mentoring erlebt?
- Wissensaustausch überprüfen: Wie wird der Wissenstransfer innerhalb des Unternehmens unterstützt – vor allem gemessen an den vorab gesetzten Zielen?
- HR-Unterstützung sicherstellen: Ist die Rolle des HR-Teams während der Umsetzung klar? Sind die Beteiligten damit zufrieden?
- Mögliche Verbesserungen: Gibt es direkte Lernerfahrungen, die in Verbesserungen des Prozesses münden können?
3. Schritt: Evaluation
Eine Evaluation ist für JEDE Personalentwicklungsmaßnahme sinnvoll – wird aber gerne vernachlässigt. Um den Erfolg des Reverse Mentoring Programms zu messen und kontinuierlich zu verbessern, ist es definitiv schlau, sich von Anfang an zu überlegen, was und wie gemessen oder getrackt werden soll.
Es geht meist um drei Fragen:
- Wurden die definierten Ziele erreicht?
- Was war der dahinterstehende Aufwand und hat sich dieser gelohnt?
- Und ganz generell: Welche Erfahrungen haben wir gemacht?
Ein kleiner und feiner Tipp bei der Evaluation:
Man kann hier zu wenig (also überhaupt keinen), aber gerne auch mal zu viel Aufwand betreiben.
Die umfassende Analyse von vorher festgelegten KPIs (Key Performance Indicators) kann sich so umfassend gestalten, dass die Beteiligten allein schon deswegen eher genervt und abgeneigt sind, das Konzept weiter zu nutzen.
Was immer eine gute Idee ist: Gute Beispiele, schöne Erfolgsgeschichten und Best Practices sammeln und dokumentieren! Das kann als Grundlage für die Weiterentwicklung dieses Programms und zukünftiger Programme prima genutzt werden.
Checkliste für die Phase 3: Evaluation
- Zeitpunkt festlegen: Wann soll eine erste Evaluierung erfolgen? Gibt es einen gemeinsamen „Zyklus“, den alle Mentoring-Tandems durchlaufen? Oder arbeiten die Tandems im eigenen Tempo, sodass auch eine fließende Evaluation erfolgen sollte?
- Zielerreichung überprüfen: Wurden die anfangs festgelegten Ziele des Programms erreicht?
- Feedback sammeln: Wie beurteilen die Teilnehmenden ihre Erfahrungen? Was sind Best Practices, was aber auch Worst Practices?
- KPIs analysieren (wenn es sie denn gibt): Welche quantitativen und qualitativen Ergebnisse wurden erzielt?
- Stories dokumentieren: Gibt es Erfolgsgeschichten, die geteilt werden können?
- Programm anpassen und weiterentwickeln: Welche Verbesserungen können für zukünftige Reverse-Mentoring-Runden vorgenommen werden?
Beim Reverse Mentoring sind gerade jüngere Frauen spannende Mentorinnen
Egal ob Stahlindustrie, Automobiltechnik oder Energieversorgung: weibliche Führungskräfte sind in diesen Branchen (und noch in vielen anderen) in der deutlichen Minderheit. Es fehlt also die weibliche Perspektive in den oberen Etagen, oder sie ist mindestens mal deutlich unterrepräsentiert. Genau hier kann das Reverse Mentoring wertvolle Impulse bieten.
Junge Frauen bieten eine frische und oft unkonventionelle Sichtweise auf Probleme und Herausforderungen, die sie in einem Revers Mentoring unmittelbar platzieren können.
Gerade, wenn sie erst kurze Zeit in der Organisation sind, kann ihr frischer Blick helfen, innovative Lösungen zu entwickeln. Das trifft natürlich auch auf junge Männer zu, keine Frage! Aber der weibliche Blick unterscheidet sich oft noch maßgeblicher von „klassischen Managementperspektiven“.
Indem junge Frauen – und besonders junge Mütter – als Mentorinnen eingesetzt werden, wird die Sichtbarkeit der Geschlechterdiversität in Unternehmen aktiv gefördert, und das leidige (aber wichtige!) Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bekommt mehr Aufmerksamkeit. Dies kann lange festgelegte Führungsparadigmen aufweichen (z.B. „Führung geht nur in Vollzeit“).
Die traditionellen Geschlechterrollen werden durch das auf-den-Kopf-stellen des Mentoringprozesses auch in den Köpfen der Menschen durchbrochen, wenn zum Beispiel eine jung Frau in einer Teilzeitstelle die Mentorin für einen älteren, männliche Bereichsleiter darstellt. Dies wirkt sich meist auch auf das Umfeld der handelnden Personen aus, indem mehr Sensibilität für stereotype Bilder entsteht und diese damit vielleicht ein bisschen schneller und bewusster ad acta gelegt werden.
Die Zukunft des Reverse Mentoring
Bleibt dieses Konzept? Oder wird es eines Tages in Vergessenheit geraten?
Ich gehe fest davon aus, dass das Reverse Mentoring zukünftig noch viel breiter eingesetzt werden wird.
Es hat seinen Siegeszug eigentlich gerade erst begonnen. Warum ich so denke? Weil ich es in meinen eigenen Diversity-Projekten bei Kunden so erlebe, und das hier sind die 3 wichtigsten Gründe:
- Trends und Entwicklungen: Die Digitalisierung und der demografische Wandel werden das Reverse Mentoring in Zukunft noch wichtiger machen. Denn Unternehmen, die die immer wieder neuen Trends schnell erkennen und in ihre Strategie integrieren können, werden langfristig erfolgreicher sein.
- Potenzial für die digitale Transformation: An der Digitalisierung kommt niemand vorbei, aber so manche Organisation schiebt das Thema dennoch beharrlich vor sich her. Reverse Mentoring kann ein entscheidender Faktor bei der digitalen Transformation von Unternehmen sein, da es den Wissenstransfer zwischen den Generationen fördert. Je schneller die junge Mitarbeitendenschaft an Einfluss gewinnt, desto selbstverständlicher wird es, Prozesse digital zu denken und aufzusetzen.
- Reverse Mentoring in globalen Märkten: In einer zunehmend globalisierten und durch Social Media hypervernetzen Welt erlaubt Reverse Mentoring, globale Trends früher zu erkennen, kulturelle Unterschiede wahrzunehmen (und zu überbrücken) und die eigene Organisation entsprechend auszurichten.
FAQs zum Thema Reverse Mentoring
1) Wie oft sollten sich die Tandems treffen, und wie lange sollten die Treffen dauern?
Beide Seiten sollten bereit sein, sich Zeit für das Programm zu nehmen. Wer keine Zeit investiert, kann kein Vertrauen aufbauen. Es braucht also eine gewisse Regelmäßigkeit, um einen Lernerfolg (auf beiden Seiten!) sicherzustellen. Die Dauer und Frequenz können dabei individuell sehr unterschiedlich sein. Vom Format „alle 14 Tage 2 Stunden“ bis zu „ein Business Lunch im Monat“ bis zu „ein halber Tag zum Einstieg und dann wöchentlich nach Bedarf“ ist alles möglich. Ist erst mal eine Vertrauensbasis etabliert, kann auch eine ad-hoc-Kontaktaufnahme sinnvoll sein, wenn es eine konkrete Frage zu reflektieren gibt.
2) Wie groß darf oder soll der Altersunterschied zwischen den Mentoring-Tandem-Partnern sein?
Der Altersunterschied spielt keine Rolle. Wenn die (Lern-)Interessen zusammenpassen und Vertrauen entsteht, können durchaus auch 20-30 Jahre zwischen Mentor und Mentee liegen. Aber auch ein Altersunterschied von nur 5 oder 6 Jahren kann schon spannende Perspektivwechsel beinhalten.
3) Wie wichtig sind gemeinsame Interessen beim Matching der Tandems?
Young Professionals, die vielleicht noch richtig „grün hinter den Ohren“ sind, bringen Leadership-Expertinnen und -Experten etwas bei – das kann für beide Seiten erst einmal komisch sein. Wenn über generelle, gemeinsame Interessen direkt eine Verbindung hergestellt werden kann, ist das für den ersten Vertrauensaufbau sicherlich nicht schlecht.
4) Wie viele Hierarchiestufen können oder sollen zwischen Mentor und Mentee liegen?
Auch das ist für das Reverse Mentoring irrelevant. Auf gleicher Ebene gibt es Erkenntnisgewinne genauso wie auf verschiedenen Ebenen. Es kann aber besonders spannend sein, wenn in einem Unternehmen sich das obere Management von Berufseinsteigerinnen und -einsteigern etwas beibringen lässt. Gerade für die Außenwirkung des Programms generell ist das ein echter Mehrwert.
5) Ist Reverse Mentoring auch als Gruppenformat möglich?
Grundsätzlich ja, aber … und dieser ABER würde ich definitiv großschreiben: Beim Reverse Mentoring haben sich Zweierteams wirklich bewährt. Gerade hochrangige Führungskräfte haben Vorbehalte, ihre Unsicherheiten und Wissenslücken in größeren Gruppen offenzulegen. Wenn es ein Gruppen-Reverse-Mentoring sein soll, würde ich dieses unbedingt professionell moderieren lassen, um den Wissensaustausch und den Perspektivwechsel möglich zu machen, ohne individuelle Bloßstellungen zu erzeugen. Ich kann so eine Moderation gerne übernehmen.
6) Wie lange sollte ein Reverse Mentoring Programm laufen?
Grundsätzlich muss man solch ein Programm nicht begrenzen. Damit das Engagement auf beiden Seiten hoch bleibt, macht es aber Sinn, von Beginn an eine fixe Laufzeit festzulegen, oder eine Anzahl von Treffen. Bewährt hat sich dabei ein Quartal, sechs Monaten oder maximal ein Jahr.
7) Sollte Reverse Mentoring für alle Führungskräfte verpflichtend sein?
Wer als Führungskraft zum Coaching oder zum Reverse Mentoring verpflichtet wird, hat meist keine ganz so offene Haltung. Als externer Coach kann einem das noch egal sein (das Honorar kann man ja in der Regel dennoch einfordern), als junger Mentor oder junge Mentorin gegenüber einem nicht so offenen Mentee findet man sich jedoch schnell in einer sehr unangenehmen Rolle.
Ich rate daher ab, dieses Konzept verpflichtend einzuführen. Mir sind auch keine Fälle bekannt, in denen das nachweisliche, positive Effekte hatte. Wenn es schon eine Verpflichtung geben soll, dann würde ich eher das „Next Level Leadership Coaching“ in Betracht ziehen. Was das genau ist, beschreibe ich hier.
8) Wie viel kostet ein Reverse Mentoring Programm?
Eigentlich kostet es nichts – zumindest nicht direkt. Mit einem ehrlichen Blick muss man jedoch festhalten: Reverse Mentoring (wenn es gut gemacht sein soll) ist schon mit einigem Aufwand verbunden, dieser kann aber in der Regel durch interne Mittel abgedeckt werden.
Man MUSS definitiv keine teuren Trainer oder Coaches einkaufen, denn das Wissen befindet sich ja schon innerhalb des Unternehmens. Man KANN sich jedoch externe Beratung ins Haus holen, um den Start des Projektes gut aufzugleisen – ja, das biete ich auch an, kontaktiere mich gerne, wenn du Unterstützung suchst. So oder so gilt:
Reverse Mentoring ist ein kostengünstiges bzw. besser gesagt ein sehr kosteneffizientes Personalentwicklungs-Werkzeug.
Mein Fazit: Die Bedeutung von Reverse Mentoring in der VUCA-Welt
Für mich steht fest:
Reverse Mentoring ist mehr als nur ein Trend.
Spätestens seit Corona wissen wir: Planbarkeit ist eine Illusion, und die unkalkulierbare Welt ist – ob uns das gefällt oder nicht – ist die Realität. Genau dafür steht das Akronym VUCA, zu dem ich auch diese Keynote anbiete.
Alle Organisationen stehen vor einer Fülle von neuen Herausforderungen, die sie mit ihrer Mannschaft leisten müssen. Wie großartig wäre es daher, wenn das Wissen innerhalb der Firma schnell zirkuliert, wenn viele Ideen existieren und der offene Dialog mit vielen Perspektivwechseln gelingen würde?
Genau hier setzt Reverse Mentoring an: Es stellt eine kraftvolle und innovative Möglichkeit dar, den Wissensaustausch (und ganz generell auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit) in Unternehmen zu fördern und neue, wichtige und vielseitige Brücken zu bauen. Zwischen Generationen, Hierarchieebenen, Bereichen, Funktionen, Geschlechtern und kulturell unterschiedlich geprägten Gruppen.
Die DZ-Bank setzt beispielsweise Reverse Mentoring ein – und berichtet auch öffentlich über die Erfolge des Programms.
Die strategischen Vorteile für die Organisation in einer sich immer schneller drehenden Welt liegen also auf der Hand. Wer zudem als HR-Funktion das Diversity-Thema wirklich ernst nimmt, kommt ums Reverse Mentoring nicht drumherum.
Besonders die Einbindung junger Frauen als Mentorinnen für ältere Männer bietet enormes Potenzial, um Geschlechterdiversität zu fördern und traditionelle Denkmuster zu durchbrechen.
Die gezielte Karriereförderung von Frauen bietet das Reverse Mentoring auf den ersten Blick natürlich nicht, denn es werden ja keine direkten Beförderungen ermöglicht. Die indirekten Effekte sind aber maßgeblich.
Unternehmen, die Reverse Mentoring mit Kraft, Herz und Verstand implementieren, profitieren nicht nur von einem besseren Wissensaustausch, sondern erleben auch einen neuen Schwung für ihre Innovationskraft und die gesamte Unternehmenskultur.